Neue Perspektiven: Verstärkung für RSF-Vorstand

Der Vorstand von Reporter ohne Grenzen (RSF) bekommt Verstärkung: taz-Chefredakteurin Barbara Junge und die freie Journalistin Tamina Kutscher stoßen als neue kooptierte Mitglieder dazu.

Barbara Junge, Jahrgang 1968, ist seit 2020 Chefredakteurin der taz. Gemeinsam mit Ulrike Winkelmann leitet sie die Redaktion des Berliner Medienhauses. Bei der taz ist Junge intensiv mit der digitalen Transformation der Zeitung befasst, sie hat mit dem Klimahub die Berichterstattung zur Klimakrise gestärkt und fördert investigative Recherchen im Bereich des Rechtsextremismus. Zuvor war sie von 2013 bis 2016 Tagesspiegel-Korrespondentin in Washington. Ehrenamtlich ist sie im Vorstand des Netzwerk Recherche engagiert sowie im Kuratorium der taz Panter Stiftung.

Tamina Kutscher, Jahrgang 1977, ist Expertin für Medien, Kultur und Gesellschaft in Russland sowie in Mittel- und Osteuropa. Von 2016 bis 2023 war sie Chefredakteurin der mehrfach ausgezeichneten Medien- und Wissenschaftsplattform dekoder. Daneben ist sie Vorsitzende des Vorstands von n-ost, dem Netzwerk für Osteuropa-Berichterstattung. Neben ihrer journalistischen Arbeit ist sie auch als Dozentin, Moderatorin und Lektorin tätig.

„Wir freuen uns, mit Barbara Junge und Tamina Kutscher zwei so erfahrene Journalistinnen für unsere Vorstandsarbeit gewinnen zu können“, sagt RSF-Vorstandssprecherin Katja Gloger. „Mit ihren Expertisen, ihrer Organisationserfahrung und ihrem langjährigen Engagement für eine freie und vielfältige Medienlandschaft werden sie uns hervorragend ergänzen.“

Als kooptierte Mitglieder bereichern Barbara Junge und Tamina Kutscher den Vorstand mit neuen Perspektiven und Impulsen, haben aber kein Stimmrecht. Zum Vorstand von RSF gehören neben Katja Gloger und Martin Kaul als geschäftsführende Vorstandsmitglieder auch Gemma Pörzgen, Michael Rediske und Matthias Spielkamp. Der Vorstand von Reporter ohne Grenzen arbeitet ehrenamtlich.

Reporter ohne Grenzen Deutschland setzt sich in Deutschland und weltweit für Presse- und Informationsfreiheit ein. Auf der Rangliste der Pressefreiheit belegt Deutschland Rang 11.

20.06.2025 10:15
Compact-Verfahren: Urteilsverkündung am 24.06.

Am 24. Juni 2025 verkündet das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig sein Urteil über das von der Bundesregierung im Jahr 2024 erlassene Vereinsverbot gegen das extrem rechte Magazin Compact. Reporter ohne Grenzen (RSF) wird der Urteilsverkündung beiwohnen und danach eine Pressemitteilung mit einer rechtlichen und politischen Einordnung veröffentlichen.

Entscheidungsverkündung: Dienstag, 24. Juni 2025, 10:00 Uhr
Ort: Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig

RSF beobachtet das Verfahren mit besonderer Aufmerksamkeit: Der Fall berührt zentrale Fragen der Pressefreiheit – insbesondere die Abgrenzung zwischen journalistischer Tätigkeit und verfassungsfeindlicher Agitation. Das Urteil könnte weitreichende Signalwirkung für den Umgang mit Medien an der Grenze zur Verfassungsfeindlichkeit haben.

RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus und Nicola Bier, RSF-Referentin für Recht, stehen rund um die Urteilsverkündung vor Ort in Leipzig für Interviews zur Verfügung.

Pressekontakt: presse@reporter-ohne-grenzen.de

20.06.2025 10:00
Handydaten ausgewertet: RSF unterstützt Klage

Die Polizei hat sein Handy beschlagnahmt und durchsucht: Der Nachwuchsjournalist Hendrik Torner wehrt sich vor Gericht gegen die umfassende Auswertung seiner Handydaten. Mithilfe von Reporter ohne Grenzen (RSF) und der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hat er heute Beschwerdebegründung beim Landgericht Bamberg eingereicht. Torner hatte 2023 über eine Demonstration der sogenannten Letzten Generation berichtet. Als er einen Polizeieinsatz dokumentierte, nahmen ihm die Beamten das Handy ab. Sie werteten die Daten aus und erstellten ein Profil über sein politisches Engagement.

„Der Zugriff auf den gesamten Datenbestand beschlagnahmter Handys ermöglicht der Polizei tiefe Einblicke in die Privatsphäre der Betroffenen – für diesen Eingriff fehlt es jedoch an einer klaren Rechtsgrundlage. Menschen müssen darauf vertrauen können, dass ihre intimen Daten grundsätzlich geschützt sind und der Staat nur im Ausnahmefall nach strengen Regeln darauf zugreifen kann“, sagt Davy Wang, Jurist und Verfahrenskoordinator bei der GFF.

Das Digital Security Lab (DSL) von Reporter ohne Grenzen hat Torners Handy untersucht. Dazu sagt Janik Besendorf, IT-Sicherheitsexperte des DSL: „Wir konnten durch IT-forensische Methoden nachweisen, dass die Polizei die Verschlüsselung von Hendrik Torners Smartphone umgangen hat. Die Polizei hat Sicherheitslücken ausgenutzt, um auf die gespeicherten Daten zuzugreifen. Dabei hat sie tief in das Betriebssystem eingegriffen und sogar Veränderungen daran vorgenommen.“

Am 6. September 2023 berichtete Torner in Bamberg über einen Protest der sogenannten Letzten Generation. Nach der Demo sah er, wie Polizisten die Ausweise von drei Teilnehmenden prüften. Torner nahm die Aussagen der Polizisten mit einer Sprachnachricht auf. Sie warfen ihm daraufhin vor, die Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes verletzt zu haben und beschlagnahmten sein Handy. Statt sich nur auf die Sprachnachricht zu beschränken, wertete die Polizei zahlreiche Daten auf dem Handy aus. Sie erstellte ein Profil über sein politisches Engagement und seine Unterstützung linker Gruppen.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Deutschland auf Platz 11 von 180 Staaten.

19.06.2025 11:30
RSF verurteilt Hinrichtung von Turki al-Dschasser

Der saudische Journalist Turki al-Dschasser wurde am 14. Juni nach sieben Jahren Haft hingerichtet. Er ist der erste Journalist, der seit der schrittweisen Machtübernahme von Prinz Mohammed bin Salman ab dem Jahr 2015 zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde. Reporter ohne Grenzen (RSF) verurteilt diesen grausamen Akt auf das Schärfste.

„Die Hinrichtung von Turki al-Dschasser ist ein weiteres alarmierendes Zeichen für die brutale Unterdrückung unabhängiger Stimmen in Saudi-Arabien“, sagt RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus. „Die internationale Gemeinschaft muss jetzt ihren Einfluss nutzen, um den eklatanten Menschenrechtsverletzungen in diesem Land ein Ende zu setzen. Auch Sanktionen sollten auf den Tisch. Wer schweigt, macht sich mitschuldig.“

Turki al-Dschasser gründete den Nachrichtenblog Al-Mashhad Al-Saudi („Die saudische Szene“), auf dem er über Themen wie Frauenrechte, den arabischen Frühling und die Lage in Palästina schrieb. Die saudi-arabischen Behörden warfen ihm vor, hinter dem anonymen X-Account „Kashkool“ zu stecken, der Mitglieder der Königsfamilie mit Korruption und Menschenrechtsverletzungen in Verbindung brachte. Am 15. März 2018 durchsuchten die Behörden seine Wohnung, entführten ihn in eine unbekannte Haftanstalt und beschlagnahmten seine elektronischen Geräte. Al-Dschasser wurde schließlich wegen Terrorismus und Hochverrats verurteilt. Er wurde in das Hochsicherheitsgefängnis Al-Hair am Stadtrand von Riad verlegt. Über seine Haftbedingungen wurde kaum etwas bekannt, sodass im November 2018 mehrere Medien und internationale Organisationen, darunter RSF, seinen mutmaßlichen Tod unter Folter bekannt gaben.

Turki al-Dschassers Hinrichtung erinnert an die Ermordung von Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul am 2. Oktober 2018. Den US-Geheimdiensten zufolge hat der saudische Kronprinz den Auftrag zur Tötung gegeben. 

Die Hinrichtung steht für die zunehmende Repression von unabhängigen Meinungen in Saudi-Arabien: Das Regime hat seit Anfang 2025 mindestens 88 Menschen hingerichtet. Laut einem Bericht von Amnesty International ist es das Land mit der dritthöchsten Zahl an Hinrichtungen weltweit – nach China und Iran. Dass Medienschaffende zum Tode verurteilt und hingerichtet werden, ist jedoch selten. Zuletzt war im Dezember 2020 der Direktor von Amadnews, Ruhollah Sam, im Iran exekutiert worden.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen steht Saudi-Arabien auf Platz 162 von 180 Staaten.

18.06.2025 13:00
Journalistin Huang Xueqin freilassen

Am Jahrestag ihrer Verurteilung fordert Reporter ohne Grenzen (RSF) die sofortige Freilassung von Huang Xueqin. Die chinesische Journalistin verbüßt eine fünfjährige Haftstrafe, weil sie angeblich zum Umsturz der Staatsmacht angestiftet haben soll. Huang berichtete über Frauenrechte und Korruption und engagierte sich in der MeToo-Bewegung.

Am 14. Juni 2024 verurteilte sie ein Gericht in der südchinesischen Stadt Guangzhou zu fünf Jahren Gefängnis. Polizeipräsenz rund um das Gericht hinderten Journalisten und Unterstützerinnen daran, in den Gerichtssaal zu kommen. Laut der Nachrichtenagentur Reuters seien auch Diplomaten unter anderem aus Deutschland und den USA ausgeschlossen worden. Im September 2024 lehnte ein Gericht die Berufung Huangs ab.

Huang war im September 2021 festgenommen worden, nur einen Tag vor ihrer Abreise nach Großbritannien. Dort wollte sie studieren. Die Journalistin saß bereits 2019 drei Monate im Gefängnis. Sie soll damals angeblich einen Streit angefangen und Ärger provoziert haben – ein Vorwurf, mit dem das Regime häufig gegen Medienschaffende vorgeht. Huang hatte zuvor über Proteste der Demokratiebewegung in Hongkong berichtet.

Huang ist eine von 113 inhaftierten Medienschaffenden in China. In keinem Land sitzen mehr Journalistinnen und Journalisten wegen ihrer Arbeit im Gefängnis. Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht China auf Platz 178 von 180 Staaten.

13.06.2025 16:00
RSF-Webseite auf Chinesisch

Die Webseite von Reporter ohne Grenzen (RSF) ist ab jetzt auch auf Mandarin verfügbar. Die Organisation veröffentlicht ihre Recherchen zur Lage der Pressefreiheit in Kurz- und Langzeichen. Die Inhalte richten sich an mehr als eine Milliarde Menschen, die weltweit Chinesisch sprechen.

Ihr Zugang zu unabhängigen Recherchen schrumpft. In China werden Medien systematisch zensiert und kritische Medienschaffende inhaftiert. Unter Xi Jinping hat sich die Lage deutlich verschlechtert. Mindestens 113 Journalistinnen und Journalisten sitzen wegen ihrer Arbeit im Gefängnis. Auch im Ausland versucht Peking, die Berichterstattung zu beeinflussen.

Hinzu kommt, dass die Trump-Regierung das Geld für die US-Auslandssender Voice of America (VOA) und Radio Free Asia (RFA) drastisch gekürzt hat. Beide hatten ausführlich über Menschenrechtsverletzungen des chinesischen Regimes berichtet. Anfang April informierte RFA auf seiner Webseite, dass der Sender die Kurzwellenprogramme in den Sprachen Mandarin und Tibetisch einstellen musste.

Nach RSF-Informationen ist die Webseite der Organisation in China blockiert. Neben Chinesisch ist sie zudem auf Englisch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch, Arabisch und Persisch verfügbar. RSF veröffentlicht einige Recherchen auch auf Koreanisch, Japanisch, Mongolisch, Russisch, Türkisch und Ukrainisch.

12.06.2025 10:00
Journalistin in Gefahr

Seit einem Monat lebt die türkisch-zypriotische Journalistin Aysemden Akin in Nordzypern in ständiger Angst: Sie erhält Morddrohungen, weil sie über Korruption berichtet. Im Mai wurde Cemil Önal, eine ihrer Quellen, in den Niederlanden erschossen. Reporter ohne Grenzen (RSF) fordert die Polizei in Nordzypern auf, die Journalistin zu schützen und gemeinsam mit den türkischen Behörden die Urheber der Morddrohungen zu ermitteln. Der Drohanruf erfolgte von einer türkischen Telefonnummer.

„Die Ermordung von Cemil Önal und die Morddrohungen gegen Aysemden Akin zeigen deutlich, dass sie aufgrund ihrer journalistischen Arbeit um ihr Leben fürchten muss“, sagt RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus. „Angesichts dieser ernsten Bedrohungslage muss die Polizei in Nordzypern die Journalistin dauerhaft schützen. Außerdem müssen die Verantwortlichen für die Drohungen gemeinsam mit den türkischen Behörden ermittelt und zur Rechenschaft gezogen werden.“

Am 30. April erhielt die Chefredakteurin der Online-Plattform Bugün Kıbrıs einen Anruf von einer türkischen Telefonnummer. Der Anrufer drohte ihr. Er wollte verhindern, dass sie weitere Recherchen zu Korruption veröffentlicht. Akin recherchierte zu Beamtinnen und Beamten der „Türkischen Republik Nordzypern“ – eine Republik, die nur von Ankara anerkannt wird. Die Behörden sollen in Korruption und Geldwäsche verwickelt sein. Unter anderem war der türkisch-zypriotische Geschäftsmann Halil Falyali beteiligt, der 2022 ermordet wurde. Ein Tag nach dem Anruf an Akin, am 1. Mai, wurde Cemil Önal in den Niederlanden erschossen. Önal war ein Mitarbeiter von Falyali und auch Akins Hinweisgeber. Er lebte im Exil und wurde von den türkischen Behörden gesucht – Anzeichen dafür, dass es sich um einen Fall von Transnationaler Repression (TNR) handeln könnte.

Trotz mehrfachem Wunsch um durchgehenden Polizeischutz erhält die Journalistin lediglich jeden Morgen für 30 Minuten eine Streife. Die Behörden erklärten, es seien „alle nötigen Maßnahmen getroffen worden“ und man schütze „alle Bürgerinnen und Bürger rund um die Uhr“.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Nordzypern auf Platz 91 von 180 – die schlechteste Platzierung seit 2014 und eine der niedrigsten in Europa.

06.06.2025 13:28
RSF verurteilt geplante Massenentlassung

Die Demontage der US-Auslandssender geht weiter: Nach Plänen der Trump-Regierung sollen fast tausend Mitarbeitende die zuständige Behörde USAGM verlassen. Nur 81 Angestellte sollen übrig bleiben. Die Washington Post hatte gestern darüber berichtet. Es ist ein weiterer drastischer und nach Ansicht von Reporter ohne Grenzen (RSF) illegaler Schritt, um die Auslandssender, darunter Voice of America (VOA) und Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RFL), zu zerschlagen. Aktuell laufen noch zahlreiche Gerichtsverfahren gegen die Abwicklung von USAGM, darunter eine Klage von RSF und den Angestellten von VOA. RSF verurteilt das Vorgehen der Regierung und prüft derzeit alle Möglichkeiten, um die Zerschlagung von USAGM zu stoppen.

„Wir sind entsetzt über den Plan der US-Regierung, fast tausend Mitarbeitende von USAGM zu entlassen“, sagt RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus. „Die Regierung ignoriert mit ihrem pressefeindlichen Verhalten laufende Gerichtsverfahren, will also Fakten schaffen, bevor die Gerichte ihr Vorgehen final auf Rechtmäßigkeit prüfen konnten. Voice of America und die anderen US-Auslandssender sind für Millionen Menschen weltweit eine wichtige Informationsquelle – die weitgehende Zerstörung von USAGM würde auch ihr Aus bedeuten.“

Über 90 Prozent sollen entlassen werden

Am Dienstag informierte Kari Lake, Sonderberaterin von USAGM und loyale Trump-Anhängerin, den Kongress in einem Schreiben über ihre Pläne, das Personal und die Funktion von USAGM auf das gesetzlich vorgeschriebene Minimum zu reduzieren. Damit folgt sie den Anweisungen von Präsident Donald Trump, der dies in einem Dekret Mitte März angeordnet hatte. In dem Brief kündigt Lake den fast vollständigen Abbau des Personals von 1.033 auf 81 Mitarbeitende an – eine Entlassungsquote von 92 Prozent, die dramatische Folgen hätte: Die zu USAGM gehörenden Auslandssender würden ihre Arbeit kaum noch aufrechterhalten können und im Wesentlichen verstummen. Davon betroffen sind VOA, RFE/RL, Radio Free Asia (RFA) und Middle East Broadcasting Networks (MBN). In Ländern, wo autoritäre Regime an der Macht sind, hätten Menschen so in manchen Fällen kaum oder gar keinen Zugang mehr zu zuverlässigen Informationen. Stattdessen würden staatliche Propagandasender das entstandene Vakuum füllen.

Einige wenige Programme, die laut dem Schreiben von Lake weiterhin auf einem reduzierten Niveau betrieben werden dürfen, sind Sendungen in Farsi und Chinesisch. Sie sind durch das US-Rundfunkgesetz von 1994 vorgeschrieben. Der Brief ignoriert jedoch andere Gesetze, die unter anderem eine Ausstrahlung von tibetischen, nordkoreanischen, spanischen und russischen Programmen fordern. Darüber hinaus steht die Dezimierung des Personals von USAGM im Widerspruch zu den langjährigen parteiübergreifenden Bemühungen des Kongresses, die US-Auslandssender zu erhalten.

RSF-Klage gegen die US-Regierung

RSF hatte gemeinsam mit den Angestellten und Gewerkschaften von VOA Klage gegen USAGM, Kari Lake und den Geschäftsführer der Behörde, Victor Morales, eingereicht. Zunächst mit Erfolg: Ein Bundesrichter wies die Regierung am 22.4.2025 an, die Abwicklung mehrerer Auslandssender rückgängig zu machen und allen über 1.300 beurlaubten VOA-Mitarbeitenden ihre Rückkehr zur Arbeit zu erlauben. Ein Berufungsgericht lehnte diese Anordnung zum Teil wieder ab und ermöglichte es damit dem Weißen Haus, die Demontage von VOA fortzusetzen. Am 15. Mai wurden daraufhin über 500 Angestellte von VOA gekündigt. Die Mitarbeitenden, die im Besitz eines Arbeitsvisums sind, haben ab dem Datum ihrer Kündigung 30 Tage Zeit, um das Land zu verlassen oder eine alternative Lösung zu finden, zum Beispiel einen Asylantrag zu stellen oder eine andere Beschäftigung zu bekommen.

Mehrere Journalistinnen und Journalisten von VOA und RFA stammen aus Ländern wie Kambodscha, China, Hongkong, Russland oder Vietnam und laufen nach Angaben der beiden Sender ernsthaft Gefahr, im Falle einer Abschiebung bei ihrer Ankunft sofort verhaftet zu werden.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen stehen die USA auf Platz 57 von 180 Staaten.

05.06.2025 16:28
Weltweiter Appell: Wir fordern Zugang nach Gaza

Über 130 Medien und Pressefreiheitsorganisationen aus aller Welt haben sich dem Aufruf von Reporter ohne Grenzen (RSF) und dem Committee to Protect Journalists (CPJ) angeschlossen und freien Zugang für Berichterstattende nach Gaza gefordert. Die Organisationen fordern außerdem den Schutz palästinensischer Medienschaffender. In den vergangenen 20 Monaten wurden fast 200 von ihnen von der israelischen Armee getötet, 45 im Zusammenhang mit ihrer Arbeit. Die palästinensischen Journalistinnen und Reporter in Gaza sind die einzigen Zeugen vor Ort. Sie arbeiten unter unerträglichen Bedingungen, wurden teils mehrfach vertrieben, leiden immer wieder Hunger und leben in ständiger Lebensgefahr.

„Wir sehen in der fortgesetzten Medienblockade des Gazastreifens den systematischen Versuch der israelischen Seite, Fakten zu verschleiern, Informationen aus dem Krieg zu unterdrücken und die palästinensische Presse und Bevölkerung zu isolieren“, sagt RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus. „Wir fordern Regierungen, Institutionen und Staatschefs auf der ganzen Welt auf, ihr Schweigen zu beenden. Sonst machen sie sich mitschuldig. Nach dem humanitären Völkerrecht ist die Tötung eines Journalisten ein Kriegsverbrechen.”

Solche Verbrechen werden auch durch die anhaltende Straflosigkeit ermöglicht. RSF hat deshalb wiederholt Fälle an den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) verwiesen und ihn aufgefordert, mutmaßliche Kriegsverbrechen der israelischen Armee gegen Journalistinnen und Journalisten in Gaza zu untersuchen. RSF leistet auch Hilfe für palästinensische Journalisten vor Ort, insbesondere in Gaza, durch Partnerschaften mit lokalen Organisationen wie ARIJ (Arab Reporters for Investigative Journalism).

Auch die Foreign Press Association (FPA) hat sich bereits mehrfach an das Oberste Gericht in Israel gewandt und freien Zugang nach Gaza gefordert. Noch nie zuvor habe Israel eine so lange und strenge Informationssperre verhängt. Das Gericht hat eine Entscheidung jedoch immer wieder verschoben.

05.06.2025 13:31
RSF startet Fernsehsender mit Julia Nawalnaja

Am 3. Juni 2025 hat Reporter ohne Grenzen (RSF) in Paris gemeinsam mit der Witwe von Alexej Nawalny, Julia Nawalnaja, den neuen Fernsehsender Russia’s Future (Россия Будущего) vorgestellt. Der Sender soll das Vermächtnis des in russischer Haft ermordeten Oppositionsführers bewahren und die Pressefreiheit in Russland stärken. Ausgestrahlt wird er über das von RSF initiierte Svoboda Satellite Package, das unabhängigen, russischsprachigen Journalismus sendet.

Der Sendestart erfolgt am 4. Juni – Nawalnys Geburtstag – via Eutelsats Hotbird 13G-Satellit, womit bis zu 61 Millionen Haushalte in Teilen Russlands, Europa, dem Nahen Osten und Afrika erreicht werden. Russia’s Future richtet sich insbesondere an TV-Nutzerinnen und -Nutzer und kombiniert investigative Inhalte mit Programmen zur Förderung demokratischer Werte und journalistischer Integrität. „Es ist ein direkter Weg zu den Menschen, die weiterhin das Fernsehen als Hauptinformationsquelle nutzen“, sagte Julia Nawalnaja auf der gemeinsamen Pressekonferenz in Paris.

Weiterführende Informationen zum neuen Projekt sind hier zu finden. 

In der Rangliste der Pressefreiheit belegt Russland Platz 171 von 180 Ländern. Mindestens 38 Journalisten und Journalistinnen sind derzeit in Haft.

03.06.2025 16:00
Journalisten müssen vor Gericht gehört werden

Es wäre ein wichtiger Schritt hin zu mehr Gerechtigkeit: Reporter ohne Grenzen (RSF) setzt sich beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) dafür ein, dass palästinensische Medienschaffende, die Opfer israelischer Kriegsverbrechen in Gaza wurden, in möglichen Gerichtsverfahren gehört werden – offiziell als Opfer und nicht nur als Zeugen. Dazu hat RSF formelle Anträge beim IStGH eingereicht. In ihnen hat die Organisation detailliert das Schicksal der Betroffenen und das ihnen widerfahrene Unrecht dokumentiert.

„Die Journalistinnen und Journalisten in Gaza brauchen eine Perspektive auf Gerechtigkeit, wenigstens ein kleines Licht am Ende des Tunnels“, sagt RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus. „Wir haben bereits vier Strafanzeigen beim Internationalen Strafgerichtshof eingereicht. Es ist jetzt von entscheidender Bedeutung, dass auch die Opfer selbst – die Journalistinnen und Journalisten – über die Gewalt aussagen können, die sie direkt und persönlich in Gaza erlitten haben. Es wäre ein neuer, wichtiger Schritt, um die Verantwortlichen für die Verbrechen an Medienschaffenden zur Rechenschaft zu ziehen. Bislang kommt die israelische Armee straflos davon.“

Der erste Antrag auf Beteiligung am Gerichtsverfahren als Opfer betrifft Adel und Ola al-Zaanoun. Adel ist Chefkorrespondent der Agence France-Presse (AFP) in Gaza, seine Frau Ola ist RSF-Korrespondentin in dem abgeriegelten Gebiet. Ihr gemeinsames Haus wurde bei einem israelischen Luftangriff am 11. April 2024 vollständig zerstört. Beide überlebten, verloren jedoch ihr gesamtes Hab und Gut. Mittlerweile mussten Adel und Ola al-Zaanoun den Gazastreifen verlassen.

Einen zweiten Antrag hat RSF für Diaa al-Kahlout gestellt, den Gaza-Büroleiter der Nachrichtenseite The New Arab. Al-Kahlout wurde über einen Monat lang willkürlich im israelischen Militärlager Sde Teiman festgehalten. Zuvor war er in seinem Haus in der Stadt Beit Lahia festgenommen worden. Nach eigenen Angaben wurde er misshandelt und gedemütigt.

Ein weiterer Antrag betrifft eine vierte Journalistin, die aus Sicherheitsgründen anonym bleiben möchte. Sie wurde durch Schüsse des israelischen Militärs getroffen und verletzt. Beim gleichen Angriff wurde ein Kollege getötet. Beide waren eindeutig als Medienschaffende zu erkennen. Die Reporterin wurde einige Monate später bei einem Angriff auf ihren Einsatzort ein zweites Mal verletzt.

Die Anträge auf Beteiligung am Gerichtsverfahren als Opfer wurden gemäß Artikel 68 des Römischen Statuts an Philipp Ambach, Leiter der Abteilung für Opfer und Zeugen in der Kanzlei des IStGH, übermittelt. In den vier Strafanzeigen vor dem IStGH hat RSF Kriegsverbrechen und gezielte Angriffe auf Medienschaffende in Gaza akribisch dokumentiert. Am 7. Januar 2024 teilte die Anklagebehörde des IStGH RSF mit, dass die gegen Journalistinnen und Journalisten begangenen Verbrechen in die Ermittlungen zur Lage in den Palästinensischen Gebieten einbezogen werden.

Seit Oktober 2023 haben israelische Streitkräfte laut RSF-Informationen fast 200 Journalistinnen und Journalisten in Gaza getötet, mindestens 44 davon im Zusammenhang mit ihrer Arbeit. Internationalen Medienschaffenden wird die Einreise in das blockierte palästinensische Gebiet noch immer verwehrt. Lokale Reporterinnen und Reporter mussten mit ansehen, wie ihre Häuser und Redaktionsräume durch israelische Luftangriffe zerstört wurden, und werden inmitten einer verheerenden humanitären Krise immer wieder vertrieben.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit stehen die Palästinensischen Gebiete auf Platz 163 von 180, Israel auf Platz 112.

02.06.2025 14:30
Urteilsverkündung im Compact-Verfahren steht an

Ab 10. Juni 2025 verhandelt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über das von der Bundesregierung im Jahr 2023 erlassene Vereinsverbot gegen das extrem rechte Magazin Compact. Reporter ohne Grenzen (RSF) wird der Verhandlung beiwohnen und nach Urteilsverkündung eine Pressemitteilung mit presserechtlicher Einordnung veröffentlichen.

Verhandlungsbeginn: Dienstag, 10. Juni 2025, 10:00 Uhr
Ort: Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig

RSF beobachtet das Verfahren mit besonderer Aufmerksamkeit: Der Fall berührt zentrale Fragen der Pressefreiheit – insbesondere die Abgrenzung zwischen journalistischer Tätigkeit und verfassungsfeindlicher Agitation. Das Urteil könnte weitreichende Signalwirkung für den Umgang mit Medien an der Grenze zur Verfassungsfeindlichkeit haben.

Nicola Bier, RSF-Referentin für Recht, steht rund um die Verhandlung vor Ort in Leipzig für Interviews zur Verfügung. RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus kann für Berlin angefragt werden

Pressekontakt: presse@reporter-ohne-grenzen.de

02.06.2025 14:30
Menschenrechtsbericht: Viel Luft nach oben

Für eine potenzielle deutsche Olympia-Bewerbung könnten die Erkenntnisse der Fußball-Europameisterschaft der Männer 2024 in Deutschland zu Menschenrechten, Nachhaltigkeit und Transparenz von großem Nutzen sein. „Der uns durch die Europäische Fußball-Union (UEFA) ermöglichte Einblick hat wichtige Erkenntnisse für künftige Großveranstaltungen in Deutschland gebracht“, erklären die nationalen Mitglieder des erstmals bei einer UEFA-EM eingerichteten Menschenrechtsbeirats in ihrer abschließenden Auflistung wesentlicher Schlussfolgerungen für Verbesserungspotenziale.

Dem Menschenrechtsbeirat gehörten Expertinnen und Experten des Deutschen Instituts für Menschenrechte, der Fachberatung KickIn!, sowie von Reporter ohne Grenzen Deutschland (RSF) und Transparency International Deutschland an. Die EM in Deutschland war eine der ersten Sportgroßveranstaltungen, bei der Menschenrechte als wichtiges Vergabekriterium galten. Ein zentraler Schritt war die Schaffung eines Menschenrechtsrats – ein unabhängiges Beratungsgremium aus Personen und Verbänden im Bereich Sport und Menschenrechte. Der Umgang der UEFA und Euro GmbH mit Pressefreiheitsrisiken blieb jedoch hinter den Ankündigungen zurück.

Aus Fehlern lernen

„Die UEFA und Euro 2024 GmbH hat sich zwar deutlich zur Pressefreiheit bekannt, doch es haperte an der Umsetzung“, sagt RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus. „Für kommende Sportevents müssen die Ausrichter aus den Fehlern dieser EM lernen und ein schlüssiges Menschenrechtskonzept erarbeiten, das konsequent und frühzeitig angewandt wird.“ Die Ausrichter haben zwar einige Schutzmaßnahmen umgesetzt und etwa eine Meldestelle für Übergriffe eingerichtet. Doch in der Praxis half das den Journalistinnen und Journalisten vor Ort wenig. Unbeantwortet blieben etwa Fragen von RSF zu problematischen Sponsoren.

Eine wesentliche Herausforderung stellte außerdem die fehlende Erfahrung von UEFA, Deutschem Fußball-Bund (DFB) und den staatlichen Stellen bei der Anwendung der Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen („UN-Leitprinzipien") im komplexen Umfeld einer Sportgroßveranstaltung dar.

Die nationalen Mitglieder des Menschenrechtsbeirats der UEFA EURO 2024 ergänzen die international erstellten Berichte um die deutsche Perspektive. Ziel ist es, mit diesem Report Verbesserungspotentiale für künftige Großveranstaltungen in Deutschland, insbesondere auch für die deutsche Bewerbung um Olympische und Paralympische Sommerspiele, aufzuzeigen. Eine Entscheidung, mit welcher Stadt oder Region sich Deutschland bewerben will, soll im Herbst 2026 getroffen werden. Berlin, Hamburg, München und die Rhein-Ruhr-Region stehen für die Kandidatur fest. RSF fordert außerdem konkrete Verbesserungen im Bereich Pressefreiheit und formuliert Empfehlungen für künftige Veranstaltungen.

19.05.2025 12:01
Neues Gesetz droht freie Medien zu ersticken

Ein neuer Gesetzentwurf droht Medien, die aus dem Ausland finanziert werden, mit wirtschaftlichen Sanktionen – sofern sie sich nicht strikt der ultrakonservativen Agenda von Ministerpräsident Viktor Orbán unterordnen. Reporter ohne Grenzen (RSF) fordert die Europäische Kommission auf, diesen Angriff auf unabhängige Medien scharf zu verurteilen.

Der Gesetzentwurf mit dem Titel „Über die Transparenz des öffentlichen Lebens“ wurde am 13. Mai von János Halász, Abgeordneter der regierenden Fidesz-Partei, ins Parlament eingebracht. Er sieht Geldstrafen für Medien und Organisationen vor, die ausländische Mittel erhalten – auch solche aus der Europäischen Union. Als Begründung wird angeführt, diese Medien würden die „nationale Souveränität“ gefährden. Diese bewusst vage Formulierung umfasst alles von der „Einheit der ungarischen Nation“ über „traditionelle Familienstrukturen“ bis hin zur „christlichen Kultur“.

„Der ungarische Gesetzentwurf gefährdet Berichterstattung, die nicht mit der nationalistischen, ultrakonservativen Linie Viktor Orbáns übereinstimmt. Die EU hat wegweisende Gesetzgebung erlassen, um Pressefreiheit und Medienvielfalt in den Mitgliedsstaaten zu erhalten. Sie muss jetzt sämtliche ihr zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um in Ungarn den letzten Rest an freier Berichterstattung  zu verteidigen”, sagt Anja Osterhaus, RSF-Geschäftsführerin.

Ähnlich dem „Agentengesetz“, das Russland 2019 verabschiedet hat, würde das ungarische Gesetz der sogenannten Behörde zum Schutz der Souveränität ermöglichen, Medien und NGOs, denen „anti-ungarische“ Äußerungen unterstellt werden, auf eine Schwarze Liste zu setzen. Diese wären dann verpflichtet, die Herkunft ihrer Finanzmittel offenzulegen. Bei ausländischer Finanzierung könnte die Steuerbehörde Geldstrafen in Höhe des 25-Fachen der empfangenen Summe verhängen.

Der Gesetzentwurf steht in eklatantem Widerspruch zum Europäischen Gesetz über Medienfreiheit (EMFA), das 2024 verabschiedet wurde. Dieses garantiert allen EU-Bürgerinnen und -Bürgern das Recht auf verlässliche Informationen und verpflichtet zu unabhängiger, transparenter Medienförderung.

Die Initiative reiht sich in eine aggressive Diffamierungskampagne der ungarischen Regierung gegen politische Gegner und unabhängige Medien im Vorfeld der Parlamentswahlen 2026 ein. Bereits im März 2025 bezeichnete Viktor Orbán Journalistinnen und Journalisten, Politiker und Richterinnen, die ihm kritisch gegenüberstehen, in alarmierender Rhetorik als „Insekten“, die „den Winter überlebt haben“.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit 2025 von Reporter ohne Grenzen belegt Ungarn Platz 68 von 180 Ländern und Territorien.

18.05.2025 10:00
RSF-Interview mit uigurischer Journalistin

Der uigurische Dienst von Radio Free Asia (RFA) soll Ende Mai eingestellt werden. Hintergrund ist ein Dekret von Donald Trump. Darin ordnete der US-Präsident Mitte März an, das Geld für die United States Agency for Global Media (USAGM) zu kürzen. Die Behörde ist für alle staatlich finanzierten Auslandssender der USA zuständig. Reporter ohne Grenzen (RSF) hat mit der uigurischen Journalistin Gulchehra Hoja über die Folgen gesprochen. Sie lebt in den USA und berichtet seit 2001 für RFA.

RSF: Worüber berichtet der uigurische Dienst von RFA?  

Hoja: Seit 26 Jahren decken RFA-Journalistinnen und Journalisten die Menschenrechtsverletzungen des chinesischen Regimes gegen Uigurinnen und Uiguren sowie andere Turkvölker auf. Sie versorgen die Welt mit Fakten und Nachrichten aus erster Hand. Wir haben über die Unterdrückung und die ungerechte Politik der chinesischen Behörden in Xinjiang berichtet. Unsere Nachrichten wurden von der US-Regierung als Referenz für die Politik gegenüber China sowie von internationalen Menschenrechtsorganisationen und Forschungszentren verwendet.

Welche Folgen hat die Schließung für Uigurinnen und Uiguren?

20 Millionen Uigurinnen und Uiguren hatten nur eine zuverlässige internationale Nachrichtenquelle und einen Radiosender, der ihre Stimme in die Welt tragen konnte: Radio Free Asia. Die bedauerliche Entscheidung der Trump-Regierung bringt die Stimme der Uigurinnen und Uiguren zum Schweigen. Der Völkermord des Regimes geht weiter und China verstärkt seine Propaganda, um ihn zu normalisieren.

Was müssen RFA-Journalisten aushalten, die über China berichten?

RFA-Journalistinnen und Journalisten waren schon immer Opfer transnationaler Repression Chinas. Ich stehe im Visier, seitdem ich unter meinem eigenen Namen im Radio gesprochen habe. Meine Familie wurde als Geisel genommen. Meine Eltern wurden unter Druck gesetzt. Seitdem kann ich nicht mehr nach Hause zurückkehren. Im Februar 2018 erfuhr ich, dass 25 meiner Verwandten in die sogenannten Umerziehungslager gebracht worden waren. Außerdem waren 50 Familienmitglieder von sechs Medienschaffenden unseres Senders entführt worden. Wir haben uns diesen Drohungen nicht gebeugt und weiter berichtet.

Könnte die Schließung des uigurischen Dienstes von RFA die Propaganda aus Peking stärken?

China hat schon früher versucht, Sendungen von RFA zu blockieren und spezielle Störsender eingerichtet. Indem die US-Regierung nun unseren Radiosender abschaltet, belohnt sie die chinesische Regierung. Ohne RFA gibt es kaum noch unabhängige Informationen in China. Ich kann das Motiv immer noch nicht verstehen. Der Verlust unseres Radiosenders ist ein Zeichen dafür, dass die USA ihr Versprechen von Demokratie und Menschenrechten nicht eingehalten haben. Ich denke das schadet auch den USA. Nichts kann Radio Free Asia ersetzen.

Wie geht es Ihnen damit, dass uigurische Stimmen nach der Schließung ihre Plattform verlieren könnten?

Die Schließung eines so wichtigen Mediums bedeutet für uns Medienschaffende nicht nur Arbeitslosigkeit, sondern zerstört auch unsere Moral. Ich habe 24 Jahre lang nicht nur meinen Verstand, sondern auch mein Herz und mein Leben diesem Sender gewidmet. Infolgedessen wurde ich zur Zielscheibe des chinesischen Regimes und als „Terroristin“ bezeichnet. Früher hatte ich keine Angst vor diesen Drohungen, sondern war eher stolz darauf, da ich vollstes Vertrauen hatte, dass die amerikanische Regierung unsere Arbeit schätzt und uns unterstützen würde. In einer Zeit, in der China mein Volk foltert und tötet, brauchen wir als uigurische Journalistinnen und Journalisten in den USA mehr denn je Schutz. Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt. Aber was uns am meisten beunruhigt, ist die Hoffnungslosigkeit unseres Volkes.

Wie geht es für RFA-Journalistinnen und Journalisten weiter?

Seit 24 Jahren hört unser Volk, dass Radio Free Asia die Stimme der Unterdrückten ist, die Stimme der freien Presse. Das war auch unser Versprechen an unser Volk. Es war unsere Aufgabe, ihre Stimme in die Welt zu tragen. Wir werden diesen Auftrag nicht aufgeben, denn wir können unsere Berichterstattung auch über die sozialen Medien verbreiten. Ich habe großen Respekt vor meinen furchtlosen Kollegen. Es braucht Mut, sich für Gerechtigkeit und gegen Unterdrückung einzusetzen. Wir sind stolz darauf, Journalistinnen und Journalisten zu sein.

Auf der neuen Rangliste der Pressefreiheit ist China um sechs Plätze gefallen und belegt nun Rang 178 von 180 Staaten.

16.05.2025 10:37
RSF fordert Gerechtigkeit für getötete Journalisten

Mehr als einen Monat nach dem tödlichen Brandanschlag auf den nepalesischen Kameramann Suresh Rajak konnten keine Verdächtigen ermittelt werden. Auch im Fall des im November 2024 getöteten Investigativjournalisten Suresh Bhul wurde bislang niemand festgenommen. Reporter ohne Grenzen (RSF) fordert die Behörden auf, beide Fälle unverzüglich aufzuklären.

„Die Verantwortlichen für den Tod von Suresh Rajak und Suresh Bhul müssen zur Rechenschaft gezogen werden“, sagt RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus. „Gewaltverbrechen an Journalistinnen und Journalisten dürfen nicht straflos bleiben.“

Suresh Rajak arbeitete als Kameramann für den Sender Avenues TV. Am 28. März berichtete er in der Hauptstadt Kathmandu über gewalttätige Proteste von Royalisten, die eine Rückkehr zur Monarchie fordern. Der 32-Jährige starb in einem Gebäude, das von Demonstranten in Brand gesetzt worden war. Feuerwehrleute konnten ihn nicht retten, da sie beim Einsatz mit Steinen beworfen wurden. Bislang wurden keine Verdächtigen festgenommen.

Die Demonstranten griffen zudem weitere Medien an: Sie steckten die Redaktionsräume der Zeitung Annapurna Post in Brand, bewarfen die Büros des Senders Kantipur Television mit Steinen und zerstörten ein Fahrzeug von Himalaya Television. Sie griffen auch einen Journalisten der Nachrichtenplattform Onlinekhabar an.

Auch die Ermittlungen im Fall des getöteten freiberuflichen Journalisten Suresh Bhul gehen nur schleppend voran. Der 30-Jährige wurde am 9. November 2024 in der Stadt Dhangadhi im Westen Nepals von einem Mob zusammengeschlagen. Er erlag seinen Verletzungen zwei Tage später. Nach Informationen von RSF war Bhul zuvor von lokalen Politikern bedroht worden – mutmaßlich wegen seines Einsatzes für das Recht auf Information.

Die Gewalt gegen Medienschaffende spiegelt sich auch auf der neuen Rangliste der Pressefreiheit wider: Nepal ist um 16 Plätze gefallen und belegt nun Platz 90 von 180 Staaten. Insbesondere die Kategorie Sicherheit hat sich verschlechtert.

14.05.2025 08:37
Bundesregierung soll Journalisten aufnehmen

Reporter werden festgenommen, Berichte zensiert, Journalistinnen mundtot gemacht und Redaktionen geschlossen: Die Lage der Pressefreiheit in Afghanistan verschlechtert sich weiter. Reporter ohne Grenzen (RSF) appelliert an die neue Bundesregierung, humanitäre Aufnahmeprogramme auch in Zukunft zu fördern und bereits erteilte Aufnahmezusagen einzuhalten – das stellen Vertreter der Unionsfraktion offenbar in Frage. RSF hat sich daher einem Aufruf von knapp 300 Organisationen für eine verantwortungsvolle Migrationspolitik angeschlossen.

„Vielen afghanischen Medienschaffenden bleibt nur noch der Weg ins Exil, um sich vor den Taliban zu schützen. Aufnahmeprogramme sind für sie der einzige sichere Ausweg. Doch seit Monaten sitzen höchst gefährdete Journalisten in Pakistan fest und warten auf ihre zugesagte Einreise nach Deutschland. Sie haben einen Rechtsanspruch darauf“, sagte RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus. „Wenn die Bundesregierung die Einreisen aussetzt, wer soll sich in Zukunft auf das Wort der deutschen Regierung verlassen? Das wäre nicht nur eine Katastrophe für die Journalisten und ihre Familien, es schadet auch dem Ansehen Deutschlands.“

Im Nachbarland Pakistan warten mehr als 1.000 Afghaninnen und Afghanen auf die Einreise nach Deutschland. Sie haben eine Aufnahmezusage im Rahmen des Bundesaufnahmeprogramms Afghanistan (BAP) erhalten. Unter ihnen sind vier Reporter, die RSF für das BAP vorgeschlagen hatte. Die alte Bundesregierung hatte betont, dass Aufnahmezusagen rechtlich verbindlich und damit einzuhalten seien. Jedoch hat der neue Kanzleramtschef Thorsten Frei laut Medienberichten im April angekündigt, dass die neue Bundesregierung prüfen will, inwiefern Zusagen zurückgenommen werden können. Auch Friedrich Merz hatte das Aufnahmeprogramm kritisiert.

Unter dem Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan (BAP) sind seit dem Start im Oktober 2022 rund 1.500 Menschen eingereist. Das ist ein Bruchteil der 1.000 Menschen, die jeden Monat mit dem BAP nach Deutschland kommen sollten. Unter ihnen sind sieben Journalistinnen und Journalisten, die RSF vorgeschlagen hatte. Mit dem Bruch der Ampel-Koalition endete das Programm schließlich vorzeitig. Im neuen Koalitionsvertrag haben sich CDU und SPD gegen neue Aufnahmeprogramme ausgesprochen.

RSF hat sich einem Appell von 293 Organisationen angeschlossen. Dort heißt es: Die Bundesregierung sollte „sichere Zugangswege in Form von Resettlement und Aufnahmeprogrammen eröffnen, statt sie zu beenden.“

Auf der vergangene Woche veröffentlichten Rangliste der Pressefreiheit steht Afghanistan auf Platz 175 von 180 Staaten. Die Gesamtpunktzahl ist gefallen – damit hat sich die Lage im Vergleich zum Vorjahr weiter verschlechtert.

07.05.2025 14:45
RSF hilft Journalistin bei Flucht aus Russland

Die russische Journalistin Jekaterina Barabasch ist mit Hilfe von Reporter ohne Grenzen (RSF) nach Frankreich geflüchtet. Die 64-Jährige zerschnitt im Hausarrest in Moskau ihre elektronische Fußfessel und verließ das Land auf geheimen Wegen. Die Flucht dauerte mehr als zwei Wochen. Nähere Einzelheiten gibt RSF aus Sicherheitsgründen nicht bekannt.

Die Journalistin und Filmkritikerin wurde im Februar 2025 nach ihrem Rückflug von den Internationalen Filmfestspielen Berlin (Berlinale) auf einem Moskauer Flughafen festgenommen. Kurz darauf wurde sie unter Hausarrest gestellt. Der Vorwurf: Barabasch habe auf Onlineplattformen „falsche Informationen“ über die russische Armee verbreitet. Die Anschuldigungen beziehen sich auf vier Posts in sozialen Medien. Drei von ihnen waren im Moment von Barabaschs Festnahme bereits gelöscht. In der vierten Nachricht kritisierte die Journalistin auf Facebook, dass Russland in der Ukraine Städte „bombardiert“ und „ganze Städte dem Erdboden gleichgemacht“ habe. Im Fall einer Verurteilung drohten der Medienschaffenden bis zu zehn Jahre Gefängnis.

Anfang April erklärte das russische Justizministerium Jekaterina Barabasch zum „ausländischen Agenten“. Mit dieser Einstufung werden in Russland unliebsame Medienschaffende und Medien stigmatisiert. Sie verpflichtet Journalisten und Journalistinnen, jede Veröffentlichung mit diesem Status zu kennzeichnen. Auf diese Weise werden Interview- und Werbepartner abgeschreckt. Am 21. April meldeten die russischen Strafvollzugsbehörden Barabasch als flüchtig.

Jekaterina Barabasch arbeitete bis 2022 für das russische Programm des französischen Senders Radio France Internationale (RFI). Danach war sie unter anderem für die unabhängige Nachrichtenplattform Republic tätig.

In der Rangliste der Pressefreiheit belegt Russland Platz 171 von 180 Ländern. Mindestens 38 Journalisten und Journalistinnen sind derzeit in Haft.

06.05.2025 11:37
Desinformation aus dem Weißen Haus

Kurz vor dem Internationalen Tag der Pressefreiheit ordnete US-Präsident Donald Trump am Donnerstag (01.05.) per Dekret an, die staatlichen Gelder der Rundfunksender National Public Radio (NPR) und Public Broadcasting Service (PBS) zu streichen. Trump und seine Anhänger werfen NPR und PBS vor, parteiisch und voreingenommen zu sein. In derselben Woche startete die US-Regierung eine nachrichtenähnliche Website, auf der sie positive News über den Präsidenten teilt. Eine Liste mit Schlagzeilen verlinkt auf rechte, Trump-nahe Medien, die die Regierung loben. Das Vorgehen erinnert an autoritäre Regime, deren gängige Taktik es ist, staatliche Propaganda zu verschleiern, indem sie sie wie gewöhnliche Nachrichten aussehen lässt.

„Die Trump-Regierung lässt vom Kongress bewilligte Finanzmittel für öffentliche Medien streichen, verwendet aber gleichzeitig Steuergelder für Desinformation und Propaganda“, sagt RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus. „Die neue Website soll Inhalte verbreiten, die dem Narrativ der Trump-Administration entsprechen und meist von Trump-freundlichen Medien und Plattformen stammen. Damit wird die Meinungsvielfalt in den USA weiter eingeschränkt.“

Der US-Präsident attackiert immer wieder sowohl ganze Medienhäuser, wie die New York Times oder CNN, als auch einzelne Journalistinnen und Journalisten, die kritisch über ihn und seine Regierung berichten. In einem Post auf Truth Social beschimpfte Trump die Rundfunksender PBS und NPR als „linksradikale Monster“.

In dem am 1. Mai erlassenen Dekret wies er die Corporation for Public Broadcasting (CPB), die für die Gelder für NPR und PBS zuständig ist, an, die direkte Finanzierung beider Sender im rechtlich größtmöglichen Umfang zu kürzen. Es ist unklar, ob er dazu befugt ist: CPB ist keine staatliche Behörde, die der Regierung unterstellt ist, sondern eine private Rundfunkgesellschaft. Anfang vergangener Woche versuchte Trump, drei CPB-Vorstandsmitglieder zu entlassen. CPB reichte daraufhin Klage ein: Der Präsident habe für eine solche Maßnahme keine Befugnis.

NPR und PBS hängen nur zu einem kleinen Teil von der Finanzierung von CPB ab, den Großteil ihrer Mittel erhalten sie von privaten Geldgebern. Dennoch hatten die beiden Sender bereits zuvor gewarnt, dass eine Kürzung der Gelder verheerende Auswirkungen auf die amerikanische Bevölkerung hätte, die in vielen Teilen des Landes auf die Nachrichten des öffentlichen Rundfunks angewiesen ist – auch in Notsituationen. CPB finanziert insgesamt mehr als 1.500 lokale Radio- und Fernsehsender. Die Kürzung der Mittel könnte folglich zur Schließung Dutzender, wenn nicht Hunderter lokaler Sender führen - vor allem in ländlichen Gebieten.

Zusammen mit anderen Pressefreiheitsorganisationen hat RSF den Kongress in einem Schreiben aufgefordert, an dem bereits bewilligten Budget für CPB festzuhalten und es gegenüber der Regierung zu verteidigen.

Ein weiteres Ziel von Trumps Angriffen sind die US-Auslandssender. Dazu gehören unter anderem Voice of America (VOA), Radio Free Europe/Radio Liberty und Radio Free Asia. Trump hatte auch hier per Dekret angeordnet, die Finanzierung der Sender drastisch zu kürzen. RSF und die Mitarbeitenden von VOA haben dagegen geklagt. Eine endgültige Entscheidung des Gerichts ist noch offen.

05.05.2025 16:25
Wirtschaftlicher Druck schwächt Pressefreiheit
  • Die neue Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen (RSF) zeigt: Die weltweite Lage der Pressefreiheit ist 2025 auf historischem Tiefstand.
  • Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Staaten mit „sehr ernster“ Lage der Pressefreiheit. 
  • Nur in sieben Ländern ist die Lage „gut“, alle liegen in Europa. Deutschland rutscht auf Platz 11 ab.
  • Neben einer fragilen Sicherheitslage und zunehmendem Autoritarismus macht vor allem der ökonomische Druck den Medien weltweit zu schaffen.

Die Pressefreiheit ist weltweit auf einem historischen Tiefstand. Das zeigt die Rangliste der Pressefreiheit, die Reporter ohne Grenzen (RSF) am 2. Mai 2025 veröffentlicht hat. In 90 von 180 beobachteten Ländern ist die Situation für Medienschaffende „schwierig“ oder „sehr ernst“. Dafür ist neben einer fragilen Sicherheitslage und zunehmendem Autoritarismus vor allem der ökonomische Druck verantwortlich. Die RSF-Analyse zeigt, dass sich Medienschaffende und Redaktionen in allen Teilen der Welt zunehmend zwischen dem Streben nach redaktioneller Unabhängigkeit und ihrem wirtschaftlichen Überleben aufreiben.

„Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt nun in Staaten, in denen wir die Lage der Pressefreiheit als sehr ernst einstufen“, warnt RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus. „Autokraten ist unabhängiger Journalismus ein Dorn im Auge. Das wirkt sich auch auf die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit aus. Wenn Medien finanziell ausgetrocknet werden, wer deckt dann Falschinformationen, Desinformation und Propaganda auf? Neben unserem täglichen Kampf für die Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten setzen wir uns deshalb auch für eine Stärkung der wirtschaftlichen Grundlagen des Journalismus ein.“

In 160 Ländern können Medien kaum nachhaltig wirtschaften

Die Rangliste der Pressefreiheit bewertet die Situation in einem Land oder Territorium in den fünf Kategorien Politik, Recht, Wirtschaft, Soziokultur und Sicherheit. In der Kategorie Wirtschaft erzielen die Länder in ihrer Gesamtheit seit einigen Jahren die geringsten Werte. 

Die RSF-Daten zeigen: In 160 von 180 beobachteten Ländern und Territorien schaffen es Medien nur „mit Schwierigkeiten“ oder „überhaupt nicht“, stabil zu wirtschaften. In 46 Staaten konzentriert sich Medienbesitz in den Händen weniger Eigentümer. In manchen Ländern, etwa in Russland (Platz 171), wird die Medienlandschaft entweder vom Kreml oder von Kreml-nahen Oligarchen kontrolliert. In fast einem Drittel der Länder mussten Redaktionen im vergangenen Jahr aus wirtschaftlichen Gründen schließen. Häufig ging der wirtschaftlichen Schieflage extremer Druck durch die Behörden voraus.

Neben teils lebenswichtigen Finanzhilfen durch internationale Programme der Entwicklungszusammenarbeit sind Medienhäuser in vielen Ländern zudem auf die Erlöse aus Anzeigen der öffentlichen Hand angewiesen. In beiden Feldern verhalten sich jedoch nicht nur autoritäre Regierungen weltweit zunehmend intransparent: In Ländern wie Ungarn (68) mischt sich der Staat durch die Zuteilung oder den Entzug von Anzeigen aktiv in die journalistische Arbeit ein. 

Dies alles geschieht in einer Zeit, in der die großen Tech-Unternehmen den Großteil der – weiter steigenden – Werbeeinnahmen auf sich vereinen. Trotz ihrer enormen Marktdominanz sind sie weitgehend unreguliert. Gerade Social-Media-Plattformen wie X tragen immer wieder zur Verbreitung von manipulierten oder irreführenden Informationen bei.

Deutschland rutscht aus den Top 10

Deutschland belegt auf der Rangliste der Pressefreiheit Platz 11, ein Rückschritt um einen Rang. Auch wenn Deutschland im globalen Vergleich gut dasteht, gibt es sichtbare Herausforderungen. Viele Medienschaffende bewegen sich in einem zunehmend feindlichen Arbeitsumfeld. Auch 2024 waren erneut diejenigen Journalistinnen und Journalisten gefährdet, die sich mit rechtsextremen Milieus und Parteien wie der AfD beschäftigten: Sie berichten von Feindmarkierungen, Bedrohungen, Beleidigungen und Angst vor körperlicher Gewalt. Auch auf redaktioneller Ebene verschärfte sich das Klima. RSF dokumentierte zahlreiche Fälle, in denen Medienschaffende über unverhältnismäßig hohe Hürden bei der Berichterstattung zum Nahostkonflikt berichteten.

Die wirtschaftliche Situation für Medienhäuser hat sich auch in Deutschland in den vergangenen Jahren spürbar verschlechtert. RSF setzt sich deshalb für Reformen ein, um diesen Trend aufzuhalten und die Medienvielfalt in Deutschland zu stärken. Dazu gehören neben einer Förderung des gemeinnützigen Journalismus auch eine plattformunabhängige Medienförderung und eine Reform des Medienkonzentrationsrechts.

Abstand zwischen der EU und dem Rest der Welt wird größer

Auf dem amerikanischen Kontinent stehen Journalistinnen und Journalisten unter wachsendem Druck. In mehr als der Hälfte der Länder hat sich die Lage der Pressefreiheit verschlechtert. Zwölf von 28 Staaten fallen in die beiden schlechtesten Wertungskategorien – dort ist die Lage für Medienschaffende schwierig oder sehr ernst. 

Größter Absteiger ist Argentinien (87): Präsident Javier Milei hat den öffentlichen Rundfunk zerschlagen, die staatliche Nachrichtenagentur Télam geschlossen und den Zugang zu öffentlichen Informationen eingeschränkt. Das gefährlichste Land für Journalistinnen und Journalisten bleibt Mexiko (124) – in keinem anderen Land außerhalb von Kriegsgebieten werden so viele Medienschaffende ermordet

In den USA (57) gibt sich die Trump-Regierung offen pressefeindlich und geht systematisch gegen kritische Berichterstattung und unliebsame Medien vor. Der Associated Press wurde der Zugang zum Weißen Haus verweigert, weil sie sich nicht nach der Wortwahl der Regierung richten will. Schon während des Wahlkampfes im vergangenen Jahr hatte Donald Trump Journalistinnen und Journalisten wiederholt angefeindet und mit Rache gedroht, sobald er im Amt ist. Das zwischen Regierung und Justiz heftig umkämpfte Ende der Finanzierung für US-Auslandssender wie Voice of America und Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL) könnte weltweit über 400 Millionen Menschen vom Zugang zu verlässlichen Informationen abschneiden. Zugleich hat die Trump-Regierung die Finanzhilfen der US-Entwicklungsbehörde USAID drastisch gekürzt. In der Folge bangen hunderte Redaktionen weltweit um ihre wirtschaftliche Grundlage. 

Direkt von der Aussetzung der USAID-Auslandshilfen betroffen sind unabhängige Medien in Osteuropa und Zentralasien. Die Entscheidung schwächt Redaktionen, die in den zunehmend autoritär regierten Ländern der Region oft auf ausländische Gelder angewiesen sind. Außerdem schränkt die geplante Einstellung der Finanzierung von RFE/RL die unabhängige Berichterstattung ein. In Zentralasien und Osteuropa ist das Medium bisher der größte Anbieter unabhängiger Informationen. In der Ukraine (62) sind etwa 90 Prozent der Redaktionen auf finanzielle Zuschüsse angewiesen, die bisher hauptsächlich aus den USA kamen. Dem stehen die gut finanzierten russischen Staatsmedien gegenüber, welche die Propaganda des Kreml verbreiten. 

In Georgien (114) wird der Werbemarkt vom Oligarchen und eigentlichen Machthaber Bidzina Iwanischwili kontrolliert, was unabhängige Medien von Werbeeinnahmen ausschließt. Darüber hinaus kriminalisiert ein Gesetz gegen „ausländische Einflussnahme“ die Annahme ausländischer Finanzhilfen. Unabhängige Berichterstattung über die seit Monaten anhaltenden Proteste gegen die Regierungspartei Georgischer Traum wird so – und wegen der brutalen Gewalt gegen Medienschaffende – immer schwerer.

Europa ist weiterhin jene Weltregion, in der Journalistinnen und Journalisten am freiesten berichten können. Es ist die einzige Region, in der Staaten mit „guter Lage“ der Pressefreiheit vertreten sind – es sind nur noch sieben. Estland (2) ist inzwischen das bestplatzierte EU-Land, direkt hinter Norwegen (1). In diesen Ländern profitieren Medienschaffende von stabilen demokratischen Strukturen, einer hohen gesellschaftlichen Wertschätzung unabhängiger Medien und einem starken rechtlichen Schutz der Pressefreiheit. Beide Staaten verfügen über ein effektives Auskunftsrecht, das journalistische Recherchen erheblich erleichtert. Stark aufgestiegen ist Polen (31): Dort hat sich nach der Abwahl der PiS-Partei im Jahr 2023 das Klima für den Journalismus verbessert – unter anderem gibt es weniger missbräuchliche Klagen gegen Journalistinnen und Journalisten.

Doch selbst innerhalb der Europäischen Union und auf dem westlichen Balkan sind die Herausforderungen groß – so stecken etwa in der Slowakei (38) die öffentlich-rechtlichen Medien in einer existenziellen Krise. Strukturelle Verbesserungen, die durch den European Media Freedom Act (EMFA) EU-weit vereinbart wurden, werden noch nicht in allen Ländern konsequent umgesetzt.

Im südlichen Teil Afrikas hat sich die Situation der Presse deutlich verschlechtert. Eritrea (180) bleibt das Schlusslicht auf der Rangliste der Pressefreiheit. In 80 Prozent aller Länder dieser Region hat sich die wirtschaftliche Lage für Medien zugespitzt. Dies betrifft etwa den Sudan (156) und Mali (119). Medien sind gezwungen, sich selbst zu zensieren, zu schließen oder ins Exil zu gehen. Im Osten der Demokratischen Republik Kongo (133) mussten dutzende Radiostationen schließen, Medienschaffende flohen vor anhaltenden Attacken und sind in der Folge arbeitslos geworden.

Auch in der Region Asien-Pazifik arbeiten Journalistinnen und Journalisten unter schwierigsten Bedingungen. In 17 der 32 Staaten ist die Gesamtpunktzahl gefallen. 13 Länder liegen inzwischen im dunkelroten Bereich. Dort gilt die Lage der Pressefreiheit als „sehr ernst“. Neu in dieser Kategorie ist Hongkong (140), wo ein weiteres Sicherheitsgesetz in Kraft getreten ist. China (178) fällt auf den drittletzten Platz. Mindestens 113 Medienschaffende sitzen dort in Haft, mehr als in jedem anderen Land. In einigen Ländern kontrolliert eine Handvoll Konglomerate mit Verbindungen in die Politik die meisten Medienkonzerne – etwa in Indien (151). In Südostasien rutschen Indonesien (127) und Kambodscha (161) ab. Dort hat sich insbesondere die Sicherheit für Journalistinnen und Journalisten verschlechtert. Bangladesch (149) ist um 16 Plätze aufgestiegen. Dort trat 2024 Premierministerin Sheikh Hasina nach Massenprotesten zurück. Sie stand auf der RSF-Liste der größten Feinde der Pressefreiheit weltweit.

Die gefährlichste Region weltweit für Medienschaffende bleibt die Region Naher Osten und Nordafrika. In Gaza wurden fast 200 Journalistinnen und Journalisten bei Angriffen der israelischen Armee getötet, fast 50 im Zusammenhang mit ihrer Arbeit. Kein anderer Krieg ist für Medienschaffende so gefährlich wie dieser. Die Palästinensischen Gebiete stehen auf der Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 163, Israel ist auf Rang 112 gesunken. Außer in Katar (79) ist in jedem anderen Land der Region die Lage „sehr ernst“ oder „schwierig“, so etwa in Tunesien (129). Dort übt die Regierung von Präsident Kais Saied weiter hohen politischen Druck auf unabhängige Medien aus.

Rangliste der Pressefreiheit stützt sich auf fünf Indikatoren 

Seit dem Jahr 2002 vergleicht Reporter ohne Grenzen mit der Rangliste der Pressefreiheit die Situation für Journalistinnen, Journalisten und Medien in 180 Staaten und Territorien. Die Rangliste stützt sich auf die Indikatoren politischer Kontext, rechtlicher Rahmen, wirtschaftliches Umfeld, soziokultureller Kontext sowie Sicherheit. Ausführliche Informationen zur Methodik, den Fragebogen sowie ein Archiv aller bisher erschienenen Ranglisten erhalten Sie auf der Themenseite zur Rangliste der Pressefreiheit.

Impressum: Bernard Henter, Am Flugfeld 33, 40489 Düsseldorf, Tel. +49-211-404113     Kontaktformular   2025-06-24 06:26