Trumps Angriff auf die Pressefreiheit

US-Präsident Donald Trump erschwert Journalistinnen und Journalisten den Zugang zu Regierungsinformationen. Trump-freundliche, verschwörungsideologische Plattformen, Podcasterinnen und Influencer sind dagegen eingeladen, direkt aus dem Weißen Haus und Pentagon zu berichten. Die Trump-Administration ließ außerdem gezielt hunderte Regierungswebsites offline nehmen und zahlreiche Informationen löschen, vor allem zu den Themen Gesundheit, Klima und soziale Gerechtigkeit. Damit schränkt sie auch den Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen ein. Den Presse- und Kommunikationsteams mehrerer Behörden wurde untersagt, öffentlich zu sprechen. Reporter ohne Grenzen (RSF) sieht in diesem Vorgehen einen systematischen Angriff auf die Presse- und Informationsfreiheit.

„Unter dem Deckmantel der Gleichbehandlung und Fairness sollen rechte Newsplattformen und Influencer die Plätze der etablierten Medien einnehmen. Die US-Regierung verfolgt damit eine klare Strategie: Kritischer Journalismus soll erschwert werden, erwünscht sind alle, die positiv über Präsident Trump und die Regierung berichten“, sagt RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus. „Die Menschen in den USA, und im Rest der Welt, haben jedoch ein berechtigtes Interesse am Handeln der US-Regierung. Nur eine freie, kritische Presse kann dem Machtapparat auf die Finger schauen.“

Pentagon wirft etablierte Medien raus

Das US-Verteidigungsministerium kündigte an, ein jährliches „Rotationsprogramm“ für Medien im Pentagon einzuführen, das ab dem 14. Februar beginnen soll. Etablierte Medien, wie die New York Times, NBC News, National Public Radio (NPR) und Politico, müssen ihre Arbeitsplätze räumen, die sie zum Teil schon seit Jahrzehnten nutzen. Stattdessen sollen Trump-nahe Medien die Plätze bekommen, darunter die rechte Plattform Breitbart und der Fernsehsender One America News Network (OAN). Beide verbreiteten wiederholt Verschwörungserzählungen und Falschinformationen. 

Berichten zufolge soll die Regierung zudem einzelne Medienschaffende ohne Begründung aus einer E-Mail-Verteilerliste gelöscht haben, die sie über die täglichen Aktivitäten des Präsidenten informierte. Bei den Pressekonferenzen im Weißen Haus können neben Journalistinnen und Journalisten in Zukunft auch Influencerinnen und Podcaster Fragen stellen.

Trump setzt Drohungen in die Tat um

Fernsehsendern, die nicht nach seinen Vorstellungen berichten, drohte Donald Trump im Wahlkampf, die Lizenzen zu entziehen. Brendan Carr, Trump-Verbündeter und neu ernannter Vorsitzender der Federal Communications Commission, hat nun erste Schritte unternommen, um diese Drohungen in die Tat umzusetzen: Seine Behörde leitete Ermittlungen gegen die Nachrichtensender CBS, ABC und NBC ein und nahm Beschwerden gegen drei weitere wieder auf.

US-Regierung kündigt Medien-Abos

Seit seinem Amtsantritt vor drei Wochen lassen Trump und sein Team kaum eine Gelegenheit aus, den Medien im Land die Arbeit zu erschweren. Vergangene Woche stand das Nachrichtenmedium Politico im Ziel der Angriffe: Die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, kündigte an, die US-Regierung werde ihre Politico-Abonnements und die weiterer Medien beenden. Rechte Kreise und auch Trump selbst behaupteten, Politico sei von der Regierung „subventioniert“ worden, damit sie positiv über die Demokraten berichten. Schon während seiner ersten Amtszeit ließ Trump die Abos der New York Times und Washington Post kündigen. Trump wirft Zeitungen und anderen Medien, die kritisch über ihn und das Vorgehen der US-Regierung berichten, die Verbreitung von „Fake News“ vor und greift Journalistinnen und Journalisten zum Teil namentlich an. Erst am Freitag forderte er die Entlassung eines Journalisten der Washington Post, den er als „inkompetent“ bezeichnete.

Doch nicht nur die Medien in den USA sind von den Maßnahmen des Präsidenten betroffen: Die Entscheidung der Regierung in Washington, die US-Entwicklungshilfe auszusetzen, hat schwerwiegende Folgen für Medien auf der ganzen Welt, wie RSF berichtete. Sollte diese Unterstützung langfristig wegfallen, besteht die Gefahr, dass einige Medien ihre Arbeit einstellen müssen. Ohne ihre Berichterstattung verliert die Öffentlichkeit wertvolle Stimmen. Der Zugang zu Informationen aus Ländern wie der Ukraine und dem Iran wird damit erheblich erschwert.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen stehen die USA auf Platz 55 von 180 Staaten.

11.02.2025 14:06
Lange Haft für tadschikische Journalisten

Ein weiterer Schlag gegen Tadschikistans Medienschaffende: Die freie Journalistin Rukhshona Khakimova wurde am 5. Februar wegen angeblichen Staatsverrats zu acht Jahren Haft verurteilt. Das Verfahren fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Grund soll eine Umfrage der 31-Jährigen zum chinesischen Einfluss in Tadschikistan sein. Die Medienschaffende ist die Nichte eines hochrangigen Oppositionspolitikers, der kürzlich zu 18 Jahren Haft wegen eines angeblichen Putschversuches verurteilt wurde.

„Das Urteil ist völlig willkürlich und zeigt die Bereitschaft des Regimes, die verbliebenen unabhängigen Medienschaffenden in Tadschikistan mundtot zu machen“, sagt Anja Osterhaus, Geschäftsführerin von Reporter ohne Grenzen (RSF). „RSF fordert die Freilassung von Rukhshona Khakimova und aller anderen inhaftierten Medienschaffenden.“

Die Ermittlungen gegen die Journalistin hatten im Juli 2024 begonnen. Bis zu ihrer Verurteilung blieb Khakimova jedoch auf freiem Fuß, um ihre zwei minderjährigen Kinder zu versorgen. Um die Medienschaffende an der Ausreise zu hindern, entzogen ihr die Behörden jedoch den Pass. Khakimova arbeitete für unabhängige Medien wie das Zentrum für investigativen Journalismus in Tadschikistan und war zuletzt für eine Medienorganisation tätig.

Chefredakteur muss ins Gefängnis

Knapp einen Monat zuvor wurde der Journalist Ahmad Ibrohim wegen angeblicher Korruption, Erpressung und Extremismus zu zehn Jahren Haft verurteilt. Verhandlung und Urteilsverkündung am 10. Januar fanden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Der 63-Jährige ist Chefredakteur der unabhängigen Wochenzeitung Payk, dem einzigen unabhängigen Medium im Südwesten des Landes. Payk berichtete über lokale Missstände und untätige Beamte und wurde von den Behörden unter Druck gesetzt.

Ibrohim wurde am 12. August 2024 wegen angeblicher Bestechung eines Mitarbeiters des tadschikischen Inlandsgeheimdienstes (GKNB) festgenommen. Dahinter steht nach Angaben des tadschikischen Dienstes des US-finanzierten Radio Free Europe/ Radio Liberty (RFE/RL) ein Plan des Geheimdienstes: Ein GKNB-Mitarbeiter soll demnach umgerechnet 250 Dollar für eine Verlängerung der staatlichen Registrierung der Zeitung gefordert haben, welche diese für ihre weitere Tätigkeit brauchte.   

Ibrohim protestierte gegen die Vorwürfe in einem Brief an Rustam Emomali, den Parlamentspräsidenten und Sohn des Präsidenten. Dem Schreiben zufolge habe keiner der vom Gericht geladenen Zeugen die vorgebrachten Erpressungsvorwürfe bestätigt. Auch die Anschuldigung wegen Extremismus sei „lächerlich“. Als Journalist habe er gegen diesen gekämpft und sei dafür von tadschikischen Mitgliedern der Terrororganisation „Islamischer Staat“ bedroht worden.

Welle der Repression

Seit dem Herbst 2022 überzieht Tadschikistans autoritärer Präsident Emomali Rahmon unabhängige Medienschaffende mit der schwersten Verfolgungswelle seit dem Ende des tadschikischen Bürgerkrieges in den 1990er Jahren. Mindestens acht Medienschaffende wurden seitdem in rechtstaatlich fragwürdigen Verfahren zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Insgesamt sitzen neun Journalistinnen und Journalisten hinter Gittern - so viel wie in keinem anderen zentralasiatischen Land. Mit der Verhaftungswelle reagiert das Regime auf die 2022 blutig niedergeschlagenen Proteste im Autonomen Gebiet Berg-Badachschan.

In der Rangliste der Pressefreiheit belegt Tadschikistan Platz 155 von 180 Staaten.

07.02.2025 11:06
Britischer Journalist ausgewiesen

Die kambodschanischen Behörden haben den britischen Investigativjournalisten Gerald Flynn ausgewiesen. Der Reporter recherchiert seit fünf Jahren in Kambodscha zu Umweltthemen. Als er im Januar aus dem Urlaub zurückkehrte, wurde ihm trotz gültigen Arbeitsvisums die Wiedereinreise verweigert. Flynn stand offenbar auf einer schwarzen Liste, seitdem er in einer kritischen Dokumentation über Waldrodungen zu Wort kam. Sein Fall zeigt erneut, wie heikel die Berichterstattung über Umweltthemen in Kambodscha ist. Im Dezember wurde dort ein Journalist erschossen, der zu illegaler Abholzung recherchiert hatte.

„Wir verurteilen die Ausweisung von Gerald Flynn aufs Schärfste. Die Behörden haben ihn absichtlich ins Visier genommen, um Vergeltung für seine kritischen Recherchen zu üben. Sie müssen ihn wieder ins Land lassen und ihre Schikanen gegen Umweltjournalistinnen und -journalisten einstellen“, sagte Anja Osterhaus, Geschäftsführerin von Reporter ohne Grenzen (RSF).

Flynn kehrte am 5. Januar aus Thailand zurück. Bei der Ankunft am Flughafen in der nordwestlichen Stadt Siem Reap informierten ihn die Behörden, dass er seit dem 25. November auf einer schwarzen Liste stehe und nicht mehr in das Land zurückkehren dürfe.

Am 22. November hatte der Sender France24 eine kritische Dokumentation über Klimaschutzprojekte und illegale Abholzung in Kambodscha ausgestrahlt. Auch Flynn kommt darin zu Wort. Das Umweltministerium sprach daraufhin von „falschen Informationen.“ Mehrere kambodschanische Aktivisten, die in dem Dokumentarfilm zu sehen sind, wurden festgenommen und später unter der Bedingung freigelassen, dass sie nicht mehr mit ausländischen Medienschaffenden zusammenarbeiten.

„Ich habe mehr als fünf Jahre als Journalist in Kambodscha gearbeitet. Es bricht mir das Herz, so abrupt aus dem Land entwurzelt zu werden, das ich so liebgewonnen habe“, sagte Flynn. „Ich hoffe, dass die Regierung ihre Entscheidung noch mal überdenkt.“

Flynn arbeitet unter anderem für das englischsprachige Portal Mongabay und ist Präsident der Vereinigung Overseas Press Club of Cambodia (OPCC). In einer gemeinsamen Erklärung mit dem OPCC und 19 weiteren Organisationen hatte RSF das Vorgehen gegen den Journalisten kritisiert.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Kambodscha inzwischen auf Platz 151 von 180 Staaten und liegt im dunkelroten Bereich, wo die Lage als „sehr ernst“ eingestuft wird. Insbesondere Umweltjournalismus ist gefährlich. Im Dezember wurde der Journalist Chhoeung Chheng erschossen. Der 63-Jährige hatte für das Online-Medium Kampuchea Aphivath zu illegaler Abholzung in einem Naturschutzgebiet recherchiert.

Kambodschas unabhängige Medien liegen in Trümmern. Zahlreiche kritische Redaktionen mussten ihre Arbeit einstellen. Premierminister Hun Manet scheint die repressive Politik seines Vaters Hun Sen gegen Medien fortzusetzen. Dieser hatte das Land 40 Jahre lang regiert.

05.02.2025 12:40
Schwerwiegende Folgen für Medien weltweit

Die von der neuen US-Regierung für zunächst 90 Tage angeordnete Aussetzung fast aller Auslandshilfen hat schwerwiegende Folgen für den Journalismus in der ganzen Welt. Auch viele Exilmedien stehen vor großen Herausforderungen. Das US-Außenministerium ließ Gelder für Hilfsprojekte in Höhe von Milliarden von Dollar einfrieren, darunter 268 Millionen Dollar, die der Kongress zur Unterstützung unabhängiger Medien bereitgestellt hatte. Medien und journalistische Organisationen weltweit mussten einen Teil ihrer Aktivitäten von einem Tag auf den anderen einstellen.

Reporter ohne Grenzen (RSF) verurteilt die Entscheidung der Regierung in Washington und appelliert an die internationale Gemeinschaft sowie an private Geldgeber, sich für eine nachhaltige Finanzierung unabhängiger Medien einzusetzen. „Die abrupte Aussetzung der amerikanischen Hilfsgelder führt weltweit zu großer Verunsicherung, im gesamten humanitären Bereich und auch im Journalismus“, sagt RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus. „Sollte diese Unterstützung langfristig wegfallen, können viele Medien ihre wichtige Aufgabe nicht mehr erfüllen, den Menschen freie und unabhängige Informationen zur Verfügung zu stellen. Vor allem in autoritären Ländern spielt solch eine Entwicklung staatlicher Propaganda in die Hände.“

Zu den betroffenen Organisationen gehören internationale NGOs, die unabhängige Medien unterstützen, sowie kleinere Medienhäuser und Redaktionen, die aus dem Exil arbeiten. Sie versorgen Menschen in Ländern mit repressiven Regierungen, wie dem Iran und Russland, mit unabhängigen Informationen.

Exilmedien stehen unter Druck

RSF steht mit Medien, Organisationen und Einzelpersonen weltweit in Kontakt, die von dem Stopp der Hilfszahlungen betroffen sind. „Wir haben Artikel bis Ende Januar geplant, aber wenn wir danach keine Lösungen gefunden haben, können wir nichts mehr veröffentlichen“, erklärt der Vertreter eines belarussischen Exilmediums, der anonym bleiben möchte. Das Kameruner Investigativmedium DataCameroon musste unter anderem die Berichterstattung über die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen einstellen. Ein iranisches Exilmedium, das nicht genannt werden möchte, ist ebenfalls stark betroffen: Es musste die Gehälter der Mitarbeitenden auf ein Minimum kürzen, um sein Überleben zu sichern. Eine von RSF befragte Journalistin warnt, dass die Auswirkungen des Finanzierungsstopps einige der letzten freien Stimmen zum Schweigen bringen könnte. Die iranische Staatspropaganda würde das daraus resultierende Informationsvakuum zwangsläufig füllen – „wenn wir dicht machen müssen, haben sie mehr Macht“, sagt sie.

Nach Angaben der US-Regierung soll die Aussetzung der Auslandshilfen 90 Tage dauern. Außenminister Marco Rubio leitete eine Überprüfung ein, um sicherzustellen, dass alle Hilfsprogramme im Einklang mit Donald Trumps „America First“-Politik stehen. Katerina Abramova, stellvertretende Geschäftsführerin des größten russischen Exilmediums Meduza, befürchtet jedoch, dass die Überprüfung der Finanzierungsverträge viel länger dauern könnte – und, dass die Mittel dauerhaft gestrichen werden könnten. „Exilmedien sind in einer noch prekäreren Lage als andere, da die Spendenmöglichkeiten unseres Publikums begrenzt sind – vor allem, wenn eine Spende an Meduza in Russland ein Verbrechen ist“, betont Abramova. Der von RSF gegründete JX Fund, der Medien im Exil unterstützt, ist im engen Austausch mit den betroffenen Medienhäusern, um Wege für eine Notfall-Unterstützung zu finden.

USA unterstützen Medien in über 30 Ländern

Das volle Ausmaß der Auswirkungen, die der Auslandshilfe-Stopp auf die globale Medienlandschaft haben könnte, ist schwer absehbar. Die Behörde für internationale Entwicklung (USAID), die für die Hilfszahlungen zuständig ist, unterstützt Medien in über 30 Ländern. Viele betroffene Organisationen zögern, sich öffentlich zu äußern, weil sie befürchten, ihre langfristige Finanzierung zu riskieren oder politisch angegriffen zu werden. Laut Informationen von USAID finanzierte die Behörde im Jahr 2023 die Ausbildung und Unterstützung von 6.200 Journalistinnen und Journalisten weltweit. Darüber hinaus unterstützte die Behörde 707 nichtstaatliche Nachrichtensender und 279 zivilgesellschaftliche Organisationen aus dem Mediensektor, die sich für die Stärkung unabhängiger Medien einsetzen.

Schwierige Lage für ukrainische Medien

Auch für Medien in der Ukraine ist die Lage sehr schwierig: Seit der Vollinvasion durch Russland sind die Einnahmen durch Werbung zusammengebrochen, die Unterstützung aus den USA hat geholfen, diese Lücke zu schließen. Neun von zehn Medien konnten dank finanzieller Unterstützung ihre Arbeit weiterführen. Mehrere lokale Medien haben nun angekündigt, ihre Tätigkeiten vorerst einzustellen, während sie nach alternativen Lösungen suchen. „Bei Slidstvo.Info sind 80 Prozent unseres Budgets betroffen“, sagt Anna Babinets, CEO und Gründerin des unabhängigen Investigativmediums mit Sitz in Kyjiw.

Die vulnerable Situation der ukrainischen Medien birgt eine weitere Gefahr in sich: Das Ausbleiben der amerikanischen Hilfsgelder könnte anderen Finanzierungsquellen die Tür öffnen, die Einfluss auf die Berichterstattung und redaktionelle Entscheidungen nehmen wollen. „Einige Medien könnten von Geschäftsleuten oder Oligarchen aufgekauft werden“, meint Anna Babinets. „Russisches Geld wird auf den Markt gelangen und Propaganda weiter zunehmen.“

Für Oleh Dereniuha, Chefredakteur des ukrainischen Lokalmediums NikVesti, ist die Einstellung der US-Finanzierung nur die Spitze des Eisberg, die den Ernst der Lage verdeutliche: Seit 2024 sei es für unabhängige ukrainische Medien aufgrund des Rückgangs von Spenden nahezu unmöglich, ihre Finanzen nachhaltig zu sichern. Infolgedessen könnten selbst geringfügige Budgetkürzungen diese Medien in eine prekäre Lage bringen. 

Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen stehen die USA auf Platz 55 von 180 Staaten.

05.02.2025 10:10
RSF-Doku zeigt Mut und Resilienz von Journalisten

Vier Jahre nach dem Militärputsch erinnert Reporter ohne Grenzen (RSF) an die katastrophale Lage der Pressefreiheit in Myanmar. Seit dem 1. Februar 2021 haben die Generäle die Medienlandschaft dezimiert. Mindestens 150 Journalistinnen und Journalisten wurden festgenommen, 61 sitzen bis heute im Gefängnis. Militärgerichte verhängen jahrelange Haftstrafen. Sieben Journalisten wurden getötet. Zahlreiche Medienschaffende flohen ins Exil und recherchieren insbesondere aus dem Nachbarland Thailand weiter.

In einer neuen RSF-Dokumentation sprechen drei von ihnen über den gefährlichen Arbeitsalltag. Sie berichten, wie gnadenlos das Militär gegen Journalistinnen und Journalisten vorgeht, zeigen aber auch den Mut und die Resilienz myanmarischer Medienschaffender.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Myanmar auf Platz 171 von 180 Staaten.

03.02.2025 15:00
Afghanische Journalisten verzweifeln im Exil

Razzien, Festnahmen, drohende Abschiebung: Die Situation für afghanische Journalistinnen und Journalisten im pakistanischen Exil hat sich deutlich verschärft. Seit Januar hat die Polizei Wohnungen in der Hauptstadt Islamabad durchsucht, mehrere Medienschaffende festgenommen und eine Journalistin nach Afghanistan abgeschoben. Hintergrund sind strengere Visaregelungen. Die pakistanischen Behörden stellen nur noch für kurze Zeiträume und gegen hohe Kosten ein Visum aus. Von den Schikanen betroffen sind auch Medienschaffende, die im Rahmen des Bundesaufnahmeprogramms Afghanistan (BAP) auf eine Einreise nach Deutschland warten.

„Afghanische Journalistinnen und Journalisten in Pakistan verzweifeln. Sie mussten mit ihren Familien vor den Taliban fliehen, sind aber auch im Exil nicht mehr sicher“, sagte Anja Osterhaus, Geschäftsführerin von Reporter ohne Grenzen (RSF). „Die pakistanischen Behörden müssen ihre Sicherheit garantieren und ihnen unkompliziert Visa ausstellen, bis sie in Drittländer reisen können. Aber auch die deutsche Bundesregierung muss ihrer Verantwortung gerecht werden: Journalistinnen und Journalisten mit Aufnahmezusage nach Deutschland müssen umgehend eine Einreiseerlaubnis bekommen. In Afghanistan droht ihnen Verfolgung und Folter.“

RSF steht mit mehr als 100 afghanischen Journalistinnen und Journalisten in Kontakt, die vorrübergehend in Pakistan leben. Sie mussten fliehen, nachdem im August 2021 mit den Taliban einer der größten Feinde der Pressefreiheit erneut die Macht übernommen hatte. Doch die pakistanischen Behörden gehen verstärkt gegen afghanische Geflüchtete vor. Das ist auch eine Folge der sich verschlechternden Beziehungen zwischen dem Taliban-Regime und der Regierung in Islamabad.

RSF hört derzeit verstärkt von Polizeirazzien, die sich gegen afghanische Flüchtlinge in und um Islamabad richten. Ein zentrales Problem sind neue Visaregeln. Die Behörden stellen ein Visum unter hohem bürokratischem Aufwand nur noch für einen Monat aus und verlangen rund 100 US-Dollar pro Person. „Die Polizei durchsucht Häuser, um sicherzustellen, dass sich kein Afghane ohne gültiges Visum versteckt“, sagte ein Journalist der Organisation. Seit Anfang Januar wurden mehrere Medienschaffende zwischenzeitlich in einer Haftanstalt in der Hauptstadt festgehalten. Eine Journalistin, die aus Sicherheitsgründen anonym bleiben möchte, wurde bereits nach Afghanistan abgeschoben.

Was das konkret für Betroffene bedeutet, schilderte ein Journalist RSF. Auch er möchte anonym bleiben. Das Visum seiner Frau war demnach abgelaufen, aber sie hatte bereits eine Verlängerung beantragt. „Die Polizei brachte uns gewaltsam in ein Abschiebelager, wo wir die Nacht verbringen mussten. Wir machten uns Sorgen um unsere Kinder, die allein zu Hause blieben. Nachdem wir den Polizeichef angefleht hatten, wurden wir freigelassen. Wir mussten aber unterschreiben, dass wir in das Abschiebelager zurückkehren, wenn wir das Visum nicht innerhalb einer Woche erhalten. Aber die Visastelle hat uns eine Geldstrafe von 400 Dollar auferlegt, die ich nicht bezahlen kann.“

Eine Journalistin berichtet über ähnliche Erfahrungen. Anfang Januar habe die Polizei ihre Wohnung durchsucht und die Journalistin, ihren Mann und ihre Kinder festgenommen, obwohl die Familie einen Monat zuvor bereits eine Visaverlängerung beantragt habe. „Nach mehreren Stunden wurde ich freigelassen, weil meine Kinder noch so jung sind. Trotz meiner Bitten wurde mein Mann nach Afghanistan abgeschoben, wo er in Lebensgefahr schwebt.“

Auch Journalisten aus dem Bundesaufnahmeprogramm betroffen

Unter den Medienschaffenden in Islamabad sind auch vier Journalisten, deren Fälle RSF in das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan (BAP) eingereicht hatte. Sie haben bereits eine Aufnahmezusage erhalten und warten darauf, mit ihren Familien nach Deutschland reisen zu können. Sie wohnen derzeit in Gästehäusern, die im Auftrag der Bundesregierung von der GIZ betrieben werden.

Einer dieser Journalisten, der ebenfalls aus Sicherheitsgründen anonym bleiben möchte, beschreibt die Situation für Afghaninnen und Afghanen in Islamabad als „prekär und unberechenbar.“ Die Polizei sei in sein Gästehaus gekommen, habe ihn und alle anderen Afghaninnen und Afghanen dort befragt und ihre Dokumente geprüft. Einen Schutzbrief der deutschen Botschaft habe die Polizei nicht akzeptiert. „Das Innenministerium hatte sie eindeutig angewiesen, diejenigen festzunehmen und abzuschieben, die sich auch nur einen Tag zu lange im Land aufgehalten haben.“ Im Gästehaus herrsche „Panik“.

Unter dem im Oktober 2022 angelaufenen BAP sollten monatlich 1.000 gefährdete Afghaninnen und Afghanen nach Deutschland kommen. Doch mit dem Bruch der Regierungskoalition endet das Programm vorzeitig. Nur ein Bruchteil ist bisher eingereist.

Angesichts der prekären Situation in Pakistan hat RSF Mitte Januar mit weiteren Organisationen eine schnellere Visa-Bearbeitung für Afghaninnen und Afghanen mit Aufnahmezusage für Deutschland gefordert. In dem Appell an das Auswärtige Amt erinnerten die Organisationen, dass derzeit insgesamt mehr als 3.000 Personen auf die Ausstellung ihrer Visumspapiere für die Ausreise nach Deutschland warten.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Afghanistan auf Platz 178 von 180 Staaten.

29.01.2025 13:30
Medienschaffende vor Gericht

Auch im neuen Jahr geht Aserbaidschan mit unverminderter Härte gegen unabhängigen Journalismus vor: Am 21. Januar 2025 fand die dritte Anhörung im Verfahren gegen das Investigativmedium Abzas Media statt. Es handelt sich um den ersten Prozess seit Beginn einer anhaltenden Verhaftungswelle aserbaidschanischer Medienschaffender im November 2023. Insgesamt sechs Mitarbeitenden von Abzas Media werden Devisenschmuggel und sieben weitere Wirtschaftsdelikte vorgeworfen. Ihnen drohen bis zu zwölf Jahre Haft.

 „Mit dem Prozess gegen Abzas Media eskaliert der seit mehr als einem Jahr anhaltende Feldzug gegen Aserbaidschans unabhängige Medienschaffende weiter“, sagt Anja Osterhaus, Geschäftsführerin von Reporter ohne Grenzen (RSF). „Das Verfahren ist Teil einer umfassenden Strategie, um die verbliebenen kritischen Medien mundtot zu machen. Die Journalistinnen und Journalisten von Abzas Media müssen unverzüglich freigelassen werden!“

Verfolgt wegen kritischer Berichterstattung

Abzas-Media-Geschäftsführer Ulvi Hasanli wies die Anschuldigungen vor Gericht zurück. Die Medienschaffenden seien unschuldig. Abzas Media werde aufgrund seiner kritischen Berichterstattung über Korruption und Menschenrechtsverletzungen in Aserbaidschan verfolgt. Bei der Anhörung waren zum ersten Mal Prozessberichterstattende zugelassen. Bei vorangegangenen Gerichtsterminen im Dezember 2024 war ihnen der Zugang verwehrt worden. Der nächste Verhandlungstag ist auf den 11. Februar 2025 angesetzt.

Die Repressionen gegen Abzas Media begannen mit der Festnahme von sechs Mitarbeitenden zwischen November 2023 und Januar 2024. Betroffen sind neben Geschäftsführer Ulvi Hasanli, Projektkoordinator Mahammad Kekalov und Chefredakteurin Sevinj Vagifgizi, die sich im Jahr 2021 vier Monate lang mit einem Auszeit-Stipendium von Reporter ohne Grenzen (RSF) in Berlin aufhielt. Außerdem wurden die Reporterinnen Nargiz Absalamova und Elnara Gasimova sowie der freie Mitarbeiter Hafiz Babali festgenommen.

Der Vorwurf: Devisenschmuggel von 40.000 Euro. Diese Summe sei während einer Razzia in der Redaktion gefunden worden. Die Medienschaffenden streiten das ab. Das Geld sei von der Polizei platziert worden. Im August 2024 wurden sieben weitere Anklagen gegen die Medienschaffenden erhoben, darunter Wirtschaftsdelikte wie Steuerhinterziehung und Geldwäsche. Im Falle einer Verurteilung drohen ihnen bis zu zwölf Jahre Haft.

Die Inhaftierten klagen über Gewalt und Willkür in der Untersuchungshaft: So soll unter anderem Geschäftsführer Ulvi Hasanli bedroht und von einem Polizisten geschlagen worden sein. Ein Beamter habe Chefredakteurin Sevinj Vagifgizi am Arm verletzt. Treffen mit Angehörigen der Medienschaffenden wurden zum Teil untersagt, waren nur unter Aufsicht oder erschwerten Bedingungen möglich.

Investigativmedium macht im Exil weiter

Abzas Media wurde im Jahr 2016 gegründet und erlangte mit Berichten über die grassierende Korruption unter Präsident Ilham Alijew Bekanntheit. Die Nachrichtenseite zählt zu Aserbaidschans einflussreichsten unabhängigen Medien. Nach den Festnahmen im November 2023 stellte Abzas Media seine Arbeit in Aserbaidschan aus Sicherheitsgründen ein. Die Redaktion ist seitdem dezentral in mehreren Exilländern tätig. Im Februar 2023 setzte die inhaftierte Geschäftsführung die in Deutschland lebende Journalistin Leyla Mustafayeva als vorübergehende Chefredakteurin ein.

Mit dem Schlag gegen Abzas Media im November 2023 begann eine bis heute anhaltende Repressionswelle gegen Aserbaidschans unabhängige Medienszene. Insgesamt 20 Journalisten und Journalistinnen kamen seitdem in Untersuchungshaft – zumeist wegen angeblichem Devisenschmuggel. Betroffen sind Mitarbeitende von Toplum TV, OC-Media, Kanal 11, Kanal 13 und dem aserbaidschanischen Dienst des US-finanzierten Radio Free Europe/ Radio Liberty (RFE/RL). Unter den Festgenommenen befindet sich auch der Gründer des Medienportals Meclis.info Imran Aliyev, der wiederholt für den deutschen Fernsehsender ZDF arbeitete.

Schlag gegen Exilmedium aus Berlin

Im Dezember 2024  wurden sechs aserbaidschanische Mitarbeitende des in Deutschland ansässigen Exilmediums Meydan TV festgenommen. Am 17. Dezember 2025 wurden sechs neue Anklagen gegen bereits in  Untersuchungshaft sitzende Mitarbeitende von Toplum TV erhoben. Der für das Medium arbeitende Journalist Farid Ismailov kam am selben Tag für drei Monate in Untersuchungshaft. Am Vortag wurde Ulviyya Ali im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen Meydan TV vernommen. Gegen die Journalistin des aserbaidschanischen Dienstes des US-amerikanischen Auslandssenders Voice of America wurde eine Ausreisesperre verhängt.

Aserbaidschan rangiert in der Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 164 von 180 Ländern.

29.01.2025 09:56
Hilfe für mehr als 700 Medienschaffende weltweit

Mehr als 700 Medienschaffende hat Reporter ohne Grenzen (RSF) im Jahr 2024 weltweit unterstützt. Die Unterstützung ermöglichte es Medienschaffenden, sich nach Todesdrohungen, Vergeltungsmaßnahmen und vor willkürlichen Inhaftierungen in Sicherheit zu bringen. 70 Prozent der finanziellen Hilfe gingen an Journalistinnen und Reporter, die sich vorübergehend oder vollständig ins Exil begeben mussten.

„Journalistinnen und Journalisten zu helfen, die in Not oder Bedrängnis sind, ist eine unserer Kernaufgaben“, sagte RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus. „Journalismus ist in vielen Ländern der Welt leider ein höchst gefährlicher Beruf. Unser Ziel ist, dass Medienschaffende in Sicherheit berichten können, Menschen mit verlässlichen Informationen versorgen und den Machthabenden auf die Finger schauen. Auch in Deutschland sind wir auf verlässliche Informationen aus allen Ländern und Regionen der Welt angewiesen. Gerade deshalb müssen Europa und Deutschland Zufluchtsorte für diejenigen bleiben, die für ihre journalistische Arbeit ihr Leben riskieren.“

RSF hilft Medienschaffenden finanziell, die in ihrer Heimat oder in Transitländern bedroht werden, um ihre medizinischen, psychologischen, materiellen oder auch juristischen Kosten zu decken. Mehr als 400 Journalistinnen und Journalisten erhielten Unterstützung in Fragen von Visa und humanitären Aufnahmen. RSF unterstützt auch ganze Redaktionen, wenn sie vor existenziellen Bedrohungen ihrer Sicherheits- oder Finanzlage stehen. Im Jahr 2024 leistete die Organisation Nothilfe für 42 Redaktionen in 16 Ländern. 21 von ihnen befinden sich derzeit im Exil. 

Über 15 Jahre Nothilfe in Deutschland

Die deutsche RSF-Sektion unterhält seit 2009 ein eigenes Nothilfereferat. Seither hat die Organisation von Berlin aus 1.500 Journalistinnen und Journalisten nicht nur in ihren Heimatländern finanziell unterstützt, sondern auch immer wieder auf dem Weg ins Exil begleitet. 

So auch einen leitenden Politik- und Nachrichtenproduzenten bei Tolo News, Afghanistans größtem Fernsehsender. Die Taliban verhafteten und folterten ihn und zwangen ihn, seine politischen Fernsehsendungen nicht mehr zu produzieren – andernfalls würden sie ihn töten. Im Januar 2023 reichte das Nothilfereferat seinen Fall in das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan ein und im Dezember 2023 kam er mit seiner Familie in Deutschland an.

Er sagt: „Ich bin Reporter ohne Grenzen sehr dankbar, die mir bei der Flucht aus Afghanistan geholfen und meinen Fall sehr gut und genau geprüft haben, und das völlig unparteiisch. Meine Kinder gehen zur Schule. Ich bin selbst damit beschäftigt, die Sprache zu lernen. Ich sollte auch erwähnen, dass RSF bei mir war und mir immer geholfen hat, auch jetzt noch.“

RSF-Appell vor der Bundestagswahl

Mit Blick auf die anstehende Wahl des deutschen Bundestags fordert RSF Politikerinnen und Politiker auf, Medienschaffende im Exil zu schützen und ihre Arbeit zu unterstützen. Konkret muss die Bundesregierung die Aufnahme von schutzbedürftigen Journalistinnen und Reportern ermöglichen, wirksam gegen Transnationale Repression (TNR) vorgehen und Exiljournalismus stärken. 

RSF-Unterstützung in Kriegen und Krisen

Im Jahr 2024 wurde die RSF-Nothilfe besonders von Journalistinnen und Journalisten aus Afghanistan, aber auch aus Russland, dem Iran, Myanmar und dem Sudan in Anspruch genommen. In diesen Ländern werden Medienschaffende besonders stark unterdrückt.

Russland: 2024 hat das RSF-Nothilfereferat 72 russische Journalistinnen und Reporter finanziell dabei unterstützt, ihre journalistische Arbeit im Exil fortzusetzen. Bereits im April 2022 hat RSF gemeinsam mit der Schöpflin Stiftung und der Rudolf Augstein Stiftung den JX Fund ins Leben gerufen, der sich zunächst an Medienschaffende aus Russland, Belarus und der Ukraine richtete, aber international und langfristig angelegt ist. Gerade Deutschland ist ein wichtiger Schutzort, von dem aus unabhängige Redaktionen ihre wichtige Arbeit fortsetzen können – hierfür brauchen sie Visa, Starthilfen und Sicherheitstrainings.

Afghanistan: Drei Jahre nach der Machtübernahme durch die Taliban bleibt Afghanistan im Fokus der Arbeit von Reporter ohne Grenzen. 2024 hat RSF 160 Medienschaffende unterstützt. Mehr als 100 von ihnen sitzen derzeit in Pakistan fest, wo sie auf ein humanitäres Visum warten. Lange Zeit gab das deutsche Bundesaufnahmeprogramm afghanischen Medienschaffenden Hoffnung. Die Bundesregierung hat diese Hoffnung jedoch enttäuscht und setzt gefährdete Journalistinnen und Reporter nun ihrem Schicksal und der realen Gefahr der Abschiebung zu den Taliban aus.

Gaza: Die Palästinensischen Gebiete sind für Journalistinnen und Reporter zur gefährlichsten Region der Welt geworden. Seit Oktober 2023 sind mehr als 150 von ihnen von der israelischen Armee getötet worden, davon mindestens 41 aufgrund ihrer Arbeit. Neben der Verteilung von Ausrüstung in Gaza durch den lokalen RSF-Partner Arab Reporters for Investigative Journalism (ARIJ) hat das Nothilfereferat 15 Medienschaffende, die aus Gaza in Nachbarländer geflüchtet waren, finanziell unterstützt. Bei den notwendigen Behördengängen hat RSF eine Schlüsselrolle gespielt und insbesondere zur Erleichterung ihrer Visaanträge beigetragen.

Iran: Die Islamische Republik Iran ist nach wie vor eines der repressivsten Regime gegenüber Journalistinnen und Journalisten weltweit. Im Jahr 2024 hat RSF 43 iranische Medienschaffende im Exil unterstützt. Allerdings sind sie oftmals auch an ihren Zufluchtsorten nicht sicher und werden von der iranischen Regierung weiterhin ausgespäht, bedroht und verfolgt.

Myanmar: In Myanmar sitzen im weltweiten Vergleich die zweitmeisten Medienschaffenden im Gefängnis, viele weitere mussten ins Exil gehen. Im Oktober 2024 hat RSF ein Hilfsprogramm für vertriebene myanmarische Journalistinnen und Journalisten aufgelegt. Von ihrer Basis in Thailand aus haben die Mitarbeitenden des Programms 43 Medienschaffende finanziell unterstützt.

Sudan: Aufgrund des Krieges im Land ist der Sudan für Medien heute ein extrem unsicherer Ort. Im Jahr 2024 hat das RSF-Nothilfereferat 22 sudanesische Journalistinnen und Reporter unterstützt, die aufgrund ihrer Arbeit ins Visier genommen wurden.

Nicaragua: Das Regime von Daniel Ortega geht immer stärker gegen unabhängige Medien vor. Im Jahr 2024 hat RSF finanzielle Unterstützung für Journalistinnen und Reporter im Exil in Costa Rica und in den USA geleistet.

28.01.2025 11:53
Trump an der Macht: Was droht der Presse?

Das Jahr 2025 ist bisher kein gutes für den US-Journalismus: Seit Montag sind Journalistinnen und Journalisten mit einem offen pressefeindlichen Weißen Haus konfrontiert. Nur wenige Stunden nach seiner Amtseinführung hat Donald Trump bereits die ersten Dekrete unterzeichnet. Eins davon trägt den Titel „Restoring freedom of speech and ending federal censorship“ – eine vermeintliche staatliche Zensur soll beendet und freie Rede wiederhergestellt werden.

Dabei ist es Donald Trump selbst, der regelmäßig seine Kritiker angreift. Der US-Präsident sieht kritische Medien als Bedrohung: Während des Wahlkampfes beleidigte er immer wieder Medienschaffende, bezeichnete die Presse als „Feinde des Volkes“ und denunzierte kritische Berichterstattung als „Hexenjagd“. Im angeblichen Kampf um die Meinungsfreiheit will er, der selbst immer wieder Lügen verbreitet, Fakten die Bedeutung nehmen, um ihm unliebsame Meinungen zu untergraben.

„Schon in seiner ersten Amtszeit hat Donald Trump nicht mit Angriffen auf die freie und unabhängige Presse gespart“, sagt RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus. „Mit seiner erneuten Machtübernahme stehen vier schwierige Jahre bevor. Journalistinnen und Journalisten müssen sich auf weiteren Druck und Einschüchterungsversuche des Präsidenten und seiner Regierung vorbereiten.“

Was genau Trump in seiner zweiten Amtszeit vorhat, ist unklar. In der Medienbranche herrscht deswegen Verunsicherung. Um gegen seine Feinde in der Presse und Whistleblower vorzugehen, könnte er unter anderem die Beschlagnahmung von E-Mails und Telefonaufzeichnungen einfacher machen. Journalistinnen und Reporter setzen daher zunehmend auf verschlüsselte Kommunikation, um sich und ihre Quellen vor Ermittlungen zu schützen.

Rechtsklagen sollen die Presse einschüchtern

„We have to straighten out the press“, sagte Donald Trump im Dezember, die Presse müsse geradegebogen werden. Das Mittel der Wahl dafür sind Rechtsklagen: Trump hat bereits mehrere Medienunternehmen, unter anderem wegen Verleumdung, verklagt. Es ist zu erwarten, dass er auch in Zukunft – und dann mithilfe des Justizministeriums – zu diesem Mittel greifen wird. Dabei ist es für ihn fast nebensächlich, die Klagen zu gewinnen. Es geht darum, Journalistinnen und Journalisten einzuschüchtern und Medienhäuser in teure Gerichtsverfahren zu verstricken. Insbesondere kleine Redaktionen können sich solche Prozesse nicht leisten.

Andere Medien, deren Berichterstattung und Besitzer ihm gefallen, behandelt der 78-Jährige dagegen wohlwollend. Nicht überraschend also, dass es der Trump-nahe Fernsehsender Fox News war, der den frisch ins Amt gekommenen Präsidenten diese Woche als erstes im Oval Office interviewen durfte. Trump zeigt sich in seinen ersten Tagen im Amt zwar offen für Gespräche mit der Presse – auch eine Pressekonferenz hat er bereits gegeben. Doch könnte er genauso gut ihm unliebsame Medienschaffende in Zukunft von Pressekonferenzen ausschließen. So ist es bereits während seiner ersten Amtszeit geschehen.

Trumps Allianz mit Big Tech schadet dem Journalismus

Donald Trump will die Medienlandschaft nach seinem Belieben formen. Dabei könnte ihm Brendan Carr, Vorsitzender der Federal Communications Commission, behilflich sein: Der Trump-Unterstützer stellte kürzlich den Entzug von Sendelizenzen für Fernsehsender in Aussicht, die er als „biased“, also zu links, empfindet. Hinzu kommt die enge Verknüpfung Trumps mit Tech-Oligarchen wie Elon Musk und Mark Zuckerberg. Letzterer hat erst vor Kurzem das Ende der Zusammenarbeit mit Faktencheck-Redaktionen auf seinen Plattformen angekündigt. Mit der Konsequenz, dass Hass und Falschinformationen sich dort noch besser verbreiten können und journalistische Inhalte weiter in den Hintergrund rücken. Musk und Zuckerberg saßen am Tag von Trumps Amtseinführung ganz vorne in der Nähe des Präsidenten. Daneben war noch ein weiterer Tech-Gigant anwesend: Amazon-Gründer und Besitzer der Washington Post Jeff Bezos. Der hatte im Oktober, kurz vor der Präsidentschaftswahl, die Veröffentlichung einer Wahlempfehlung seines Blattes für Kamala Harris verhindert. Daraufhin kündigten mehr als 250.000 Leserinnen und Leser ihre Abos.

Die schlechte wirtschaftliche Lage der US-Medien ist zudem ein Dauerproblem, das sich vermutlich weiter verschlechtern wird. In den vergangenen Jahren gab es massive Entlassungswellen, von denen sowohl Lokalredaktionen als auch große Medienunternehmen betroffen waren. In 2025 sieht es nicht viel besser aus: Anfang des Monats teilte die HuffPost fast einem Viertel ihrer Redakteurinnen und Redakteure mit, dass sie entlassen werden sollen. Zum gleichen Zeitpunkt entließ die Washington Post rund 100 Mitarbeitende.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen stehen die USA auf Platz 55 von 180 Staaten.

24.01.2025 09:55
Google-Test schränkt journalistische Inhalte ein

Google testet in neun EU-Ländern, journalistische Inhalte aus den Google-Suchergebnissen auszuschließen. Betroffen sind 2,6 Millionen Nutzerinnen und Nutzer in Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Italien, Kroatien, den Niederlanden, Polen und Spanien. Der Test soll untersuchen, wie sich das Fehlen medialer Inhalte auf die „Attraktivität” der Google-Marke auswirkt. Reporter ohne Grenzen (RSF) unterstützt mehrere europäische Presseverleger in ihrer Forderung an das amerikanische Unternehmen, dieses Experiment unverzüglich einzustellen.

„Die symbolische Wirkung des Google-Tests ist verheerend - journalistische Inhalte würden aus den Suchergebnissen verschwinden”, sagte Antoine Bernard, Leiter der Advocacy-Abteilung bei der internationalen Organisation Reporter ohne Grenzen. „Wir stehen an der Seite der europäischen Presseverleger und setzen uns dafür ein, dass deren Inhalte auf digitalen Plattformen fair vergütet werden. Das Ende des Google-Tests ist eine unabdingbare Voraussetzung dafür.”  

Auszug aus dem offenen Brief der europäischen Presseverleger und Medienschaffenden: 

Googles einseitige Auslassung von Presseinhalten aus seinen Diensten ist ein Warnzeichen für die europäischen Demokratien und gefährdet die Nachhaltigkeit von Informationen „Made in Europe“.

Die europäischen Presseverleger sowie Journalisten und Journalistinnen sind zutiefst besorgt über den Test von Google, dessen erklärtes Ziel es ist, Presseinhalte für etwa 2,6 Millionen europäische Bürgerinnen und Bürger in mehreren europäischen Ländern auf unbestimmte Zeit von seinen Diensten zu entfernen.

Das Experiment zielt angeblich darauf ab, den Beitrag der Presse zur Markenattraktivität von Google zu messen. Doch es stellt eine ernsthafte Bedrohung für die finanzielle Nachhaltigkeit einer freien europäischen Medienlandschaft, für den europäischen Journalismus als Ganzes und für die Stabilität der europäischen Demokratien dar.

Als digitaler Gatekeeper im Sinne des EU-Gesetzes über digitale Märkte (DMA) übt Google durch sein Beinahe-Monopol bei der Online-Suche erheblichen Einfluss aus und ist für viele europäische Bürgerinnen und Bürger der wichtigste Zugang zu Presseinhalten. Jede Maßnahme, welche die Reichweite von journalistischen Inhalten für die Leserinnen und Leser einschränkt, erschwert den Verlagen die nachhaltige Finanzierung ihrer Redaktionen. (...) 

In einer Zeit, in der immer häufiger Informationen manipuliert und damit die öffentliche  Meinung beeinflusst werden, muss ein marktbeherrschendes Unternehmen wie Google die volle Verantwortung für sein Handeln übernehmen und aufhören, das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf Zugang zu journalistischen Informationen zu behindern.

Unterzeichnende Organisationen:

Europäischer Verband der Zeitschriftenmedien (EMMA)
Europäischer Zeitungsverlegerverband (ENPA)
Europäische Journalisten-Föderation (EJF)
Nachrichtenmedien Europa (NME)
Reporter ohne Grenzen (RSF)

23.01.2025 11:00
Neue RSF-Kampagne zur Bundestagswahl

In nur wenigen Wochen findet die Wahl zum Bundestag statt. Sie ist richtungsweisend: Die politische Landschaft ist zersplittert, die Unzufriedenheit mit der Demokratie steigt, und populistische Parteien gewinnen an Zulauf. Vor diesem Hintergrund startet Reporter ohne Grenzen (RSF) zusammen mit der internationalen Agentur Innocean Berlin eine Sensibilisierungskampagne in bundesweit knapp 250 Kinos.

„Populistische und extrem rechte Parteien attackieren die freie Presse. Sie fürchten die Kritik und versuchen, unabhängige Medien mundtot zu machen. Diese besorgniserregende Entwicklung sehen wir in vielen Ländern weltweit: nicht nur in autoritären Staaten, sondern mittlerweile auch in den USA und sogar in europäischen Nachbarländern wie Österreich, Italien und der Slowakei“, sagt RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus. „Ohne eine vielfältige und freie Presse gibt es keine Demokratie. Wir appellieren an alle Wählerinnen und Wähler, dies bei ihrer Stimmabgabe bei der kommenden Bundestagwahl zu berücksichtigen.“

Um die freie Presse zu schützen, hat Reporter ohne Grenzen eine Reihe von Empfehlungen an die künftige Bundesregierung formuliert:

  • Schutz von Journalistinnen und Journalisten garantieren

Berichterstattende müssen bei Veranstaltungen, besonders bei Demonstrationen, vor Übergriffen besser geschützt werden. In der Polizeiarbeit sollte die Pressefreiheit stärker verankert werden, zum Beispiel im Rahmen verbesserter Schulungen von Polizistinnen und Polizisten. Auch für alle anderen Berufsgruppen, die mit dem Schutz von Medienschaffenden befasst sind, wie Strafverfolgungsbehörden und Richterinnen und Richter, sollte es Weiterbildungen in dem Bereich geben. Einschüchterungsklagen gegen Medienschaffende, sogenannte SLAPPs (Strategic Lawsuits against Public Participation), die gerade von rechten Akteurinnen und Akteuren genutzt werden, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen, müssen eingedämmt werden.       

  • Pressefreiheit in der Digital- und Sicherheitspolitik stärken

Medienschaffende werden zunehmend digital bedroht und politisch durch staatliche Institutionen unter Druck gesetzt. Die neue Bundesregierung sollte sich daher für einen effektiven digitalen Schutz aller Journalistinnen und Journalisten und ihrer Kommunikation einsetzen. Dazu gehört, dass das Redaktionsgeheimnis und der Quellenschutz in der Gesetzgebung besser berücksichtigt werden und ein Recht auf Verschlüsselung eingeführt wird. Die Kontrolle der Nachrichtendienste sollte effizienter erfolgen. Der illegalen Überwachung von Medien muss ein Riegel vorgeschoben werden.

  • Journalismus stärken: für Demokratie und gegen Desinformation

Medienvielfalt und redaktionelle Unabhängigkeit müssen gestärkt werden. Um professionelle journalistische Inhalte auf digitalen Plattformen sichtbarer zu machen und Desinformation entgegenzuwirken, sollten Angebote, die sich zur Einhaltung professioneller Standards verpflichten, in Rankings und Empfehlungsalgorithmen bevorzugt werden. Bei der Umsetzung des Digitale-Dienste-Gesetzes (DDG) muss die neue Regierung hohe Standards für die sehr großen Plattformen setzen, etwa bei der Löschung von Inhalten, der Strukturierung von Nachrichten in Newsfeeds, beim Umgang mit digitaler Gewalt und der Verbreitung von Desinformation. Gemeinnütziger Journalismus muss als solcher anerkannt und in der Abgabenordnung steuerlich begünstigt werden.

  • Medienschaffende im Exil schützen und unterstützen

Journalistinnen und Journalisten sind zentral für Demokratien und Transformationsprozesse, indem sie Missstände aufdecken und den öffentlichen Diskurs fördern. Aufgrund dieser Funktion sind sie besonders schutzbedürftig. Medienschaffenden, die vor Verfolgung fliehen, sollte auf unbürokratischem Weg der Aufenthalt in Deutschland ermöglicht werden. Die neue Regierung muss ihnen außerdem die nötige Unterstützung bieten, damit sie im Exil weiterarbeiten können. Um sie vor Verfolgung durch autoritäre Regierungen in Deutschland zu schützen, sollte eine Koordinierungsstelle eingerichtet werden, die zu dem Thema forscht, Fälle dokumentiert und Handlungsempfehlungen herausgibt.

Kino-Spot macht auf die Bedrohung der Pressefreiheit aufmerksam

Einen Monat lang, vom 22. Januar bis 22. Februar, macht Reporter ohne Grenzen mit einem Kinospot auf die Bedrohung der Pressefreiheit durch populistische Parteien und rechtsextreme Akteure aufmerksam. Dieser greift zunächst die im Kino üblichen Verhaltensregeln auf: KEINE VIDEOS, KEINE FOTOS, KEINE AUDIOAUFNAHMEN, KEINE NACHRICHTEN, KEINE GESPRÄCHE, um dann deutlich zu machen: Was im Kino gilt, darf niemals für die Presse gelten. Reporter ohne Grenzen ruft damit die Wählerinnen und Wähler dazu auf, am 23. Februar ihre Stimme Parteien zu geben, die Demokratie und Pressefreiheit achten und schützen. Denn nur, wer sich frei und unabhängig informieren kann, kann eine fundierte Wahlentscheidung treffen.

22.01.2025 15:30
Giftanschlag auf Journalistin

Um Soltan Achilova an Reisen ins Ausland zu hindern, sind offenbar keine Maßnahmen zu extrem: Der turkmenische Geheimdienst hat Ende 2024 mutmaßlich versucht, die unabhängige Journalistin zu vergiften. Nach dem Scheitern der Vergiftungspläne wurde Achilova gegen ihren Willen aus ihrer Wohnung in der Hauptstadt Aschgabat in ein Krankenhaus gebracht. Mit der zwangsweisen Einweisung verhinderten die turkmenischen Behörden im dritten aufeinanderfolgenden Jahr eine Reise der Journalistin nach Genf. In der Stadt in der Schweiz wollte sie den Martin-Ennals-Preis entgegennehmen, der ihr 2021 für die Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen in Turkmenistan zuerkannt wurde.

„Soltan Achilovas versuchte Vergiftung und zwangsweise Einweisung in ein Krankenhaus sind selbst für turkmenische Verhältnisse extreme Maßnahmen“, sagt Anja Osterhaus, RSF-Geschäftsführerin. „Die Diktatur scheut vor keinem Verbrechen zurück, um unabhängige Berichterstattung zu unterbinden. Das ist absolut inakzeptabel. Die Behörden dürfen Soltan Achilovas Arbeit nicht weiter behindern und sie nicht an Reisen hindern.“

Vergiftete Teigtaschen

Mehrere Tage vor ihrem geplanten Flug nach Genf wurde die 75-Jährige insgesamt drei Mal von einem Mann in ihrer Wohnung aufgesucht. Der Besucher habe um Unterstützung in einer Auseinandersetzung mit einem korrupten Polizisten gebeten, berichtet Achilova in einem Videobeitrag des Exilmediums Chronika Turkmenistana vom Dezember 2024. Der Beamte soll angeblich den Pass des Mannes eingezogen haben. Die Journalistin erhält oft Anfragen von turkmenischen Bürgerinnen und Bürgern, die Probleme mit Behörden haben.

Während seines letzten Besuches soll der Mann Achilova einen Beutel mit Teigtaschen geschenkt haben. Eine Nachbarin kostete von diesen, verlor das Bewusstsein und musste ins Krankenhaus gebracht werden. Misstrauisch geworden, untersuchte die Journalistin daraufhin Saftpakete, die wenige Tage zuvor als Wohltätigkeitsspende von Unbekannten in der Nachbarschaft verteilt wurden. Dabei entdeckte sie Einstichstellen in den Paketen und einen öligen Film auf dem Saft. Achilova vermutet, dass der Geheimdienst sie vergiften wollte.

Obwohl Achilova keinerlei Symptome einer Krankheit zeigte, wurde sie am 20. November 2024 – dem Tag des geplanten Fluges nach Genf – von Männern in weißen Kitteln abgeholt und zwangsweise in eine Klinik gebracht. Die 75-Jährige leide angeblich an einer hoch infektiösen Krankheit und benötige dringend medizinische Behandlung, so die offizielle Begründung. Achilova wurde insgesamt sechs Tage lang in der Klinik festgehalten. Zugang zu Internet und Telefon hatte sie während dieser Zeit nicht. Einem Bericht des turkmenischen Exilmediums Turkmen.news zufolge sollen schon am Vortag von Achilovas Einweisung auf Anweisung des Geheimdiensts Krankenzimmer für sie vorbereitet worden sein.

Keine Angst vor offener Kritik

Soltan Achilova gehört zu den wenigen Medienschaffenden in Turkmenistan, die trotz massiver Repressionen unter ihrem realen Namen arbeiten und die Regierung offen kritisieren. Die 75-Jährige arbeitet für das in den Niederlanden angesiedelte Exilmedium Chronika Turkmenistana und war als Korrespondentin für Radiosy Azatlyk tätig, den turkmenischen Dienst des US-finanzierten Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL). Seit Beginn ihrer Arbeit im Jahr 2006 dokumentierte RSF mehr als 20 Fälle von Gewalt, Drohungen und anderen Repressionen gegen Achilova und ihre Angehörigen. Die Journalistin wurde mehrmals an Reisen ins Ausland gehindert.

Brutale Repressionen und das langsamste Internet der Welt

Das zentralasiatische Turkmenistan gehört zu den repressivsten Staaten der Welt. Das Regime von Präsident Serdar Berdimuhamedow schottet das Land vom Rest der Welt völlig ab und kontrolliert sämtliche Medien im Land. Die Benutzung des Internets ist stark eingeschränkt, es gilt als das langsamste der Welt. Die Nutzung von VPN-Diensten ist mit Geldstrafen belegt, soziale Netzwerke und Messengerdienste sind gesperrt. Eine offene unabhängige Berichterstattung ist weitgehend unmöglich.

Die wenigen verbliebenen unabhängigen Medienschaffenden riskieren Repressionen, Gefängnis und Folter. Sie arbeiten zumeist anonym für Medien aus dem Ausland. Im Januar 2025 wurde Nurgeldi Halykov an der Ausreise nach Dubai gehindert, wo er eine Stelle in der Hotel- und Restaurantbranche antreten wollte. Der frühere freie Mitarbeiter des Exilmediums Turkmen.news war erst im Juni 2024 nach der Verbüßung einer vierjährigen Haftstrafe aus dem Gefängnis entlassen worden. Halykov wurde wegen Betrugs verurteilt, nachdem er ein im Internet frei zugängliches Foto vom Besuch einer Delegation der Weltgesundheitsorganisation (WHO) während der Corona-Epidemie an seine Redaktion schickte.

Zweieinhalb Monate Folter mit Elektroschocks

Im August 2024 erlag der ehemalige Journalist Khudayberdy Allashov nach Angaben von Bekannten den langfristigen Folgen von Folter und Haft. Der zum Todeszeitpunkt 35-Jährige war im Jahr 2016 insgesamt drei Monate für Radiosy Azatlyk tätig. Die Behörden störten sich unter anderem an seinen Berichten über Zwangsarbeit und Versorgungsengpässe. Allashov wurde verhaftet und zweieinhalb Monate lang mit Schlägen und Elektroschocks gefoltert. Er trug schwere Nierenprobleme davon. Auch nach seiner Entlassung wurde er weiterhin verfolgt, wiederholt festgenommen und verprügelt.

In der Rangliste der Pressefreiheit von 2024 rangiert Turkmenistan auf Platz 175 von insgesamt 180 Ländern.

22.01.2025 15:29
RSF verlässt X

Die deutsche Sektion von Reporter ohne Grenzen (RSF) teilt keine Inhalte mehr auf X. Seit der Übernahme durch Elon Musk wird die Plattform zunehmend genutzt, um Narrative zu fördern, die mit unseren Werten und der Pressefreiheit unvereinbar sind. Studien belegen, dass der Anteil an Verschwörungserzählungen, Desinformation und diskriminierenden Beiträgen gestiegen ist. Dadurch hat der öffentliche Diskurs auf X stark gelitten – es dominieren Trolle und populistische Inhalte, während konstruktive Dialoge kaum noch stattfinden.

Wir beobachten die Entwicklungen in den Sozialen Medien insgesamt mit Sorge, nicht zuletzt nach der Ankündigung von Mark Zuckerberg, Faktenchecks auf Meta einzustellen, die wir stark kritisieren. Gleichzeitig möchten wir den Diskurs weiter aktiv gestalten, daher bleiben wir bei BlueSky, aktuell für uns die beste Alternative zu X, was sich auch in der wachsenden Zahl von Journalistinnen und Journalisten, sowie Politikerinnen und Politikern zeigt, die zu dieser Plattform wechseln. Sie finden uns außerdem auf LinkedIn, Facebook, Threads und Instagram.

16.01.2025 17:15
RSF fordert Zugang und Aufarbeitung

In einem Jahr und drei Monaten Krieg in Gaza sind mehr als 150 palästinensische Medienschaffende durch Angriffe der israelischen Armee ums Leben gekommen, darunter mindestens 41 im Zusammenhang mit ihrer Arbeit. Am 15. Januar haben Israel und die Hamas einen Waffenstillstand vereinbart. Reporter ohne Grenzen (RSF) fordert, dass nun endlich Journalistinnen und Reporter in den Gazastreifen reisen dürfen, und setzt sich weiterhin für eine umfassende juristische Aufarbeitung der Verbrechen an Medienschaffenden ein.

„Jetzt müssen dringend internationale Berichterstattende in das abgeriegelte Gebiet gelassen werden, auch um israelische Kriegsverbrechen zu dokumentieren und die juristische Aufarbeitung zu unterstützen“, sagte RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus. „Über 15 Monate hinweg wurden Journalistinnen und Journalisten in Gaza getötet, verleumdet und bedroht. Viele von ihnen mussten mehrfach vor Angriffen der israelischen Armee fliehen und haben trotzdem weiter berichtet. Ohne sie hätten wir kaum noch etwas aus Gaza erfahren.“

Seit den tödlichen Attacken der Hamas am 7. Oktober 2023 in Israel und der darauffolgenden israelischen Bodeninvasion ist Gaza für Journalistinnen und Journalisten die gefährlichste Region der Welt. Das zeigt unter anderem die Mitte Dezember erschienene RSF-Jahresbilanz 2024. Noch immer kämpft etwa der Journalist Fadi al-Wahidi von Al-Dschasira (Al-Jazeera), der am 9. Oktober 2024 bei der Berichterstattung aus dem Geflüchtetenlager Dschabalia im nördlichen Gazastreifen schwer verletzt wurde, um sein Leben. Die israelischen Behörden weigern sich trotz wiederholter Aufrufe von RSF weiterhin, seiner Verlegung in ein Krankenhaus im Ausland zuzustimmen. Darüber hinaus werden die palästinensischen Fotojournalisten Haytham Abdel Wahed und Nidal al-Wahidi seit dem 7. Oktober 2023 vermisst.

Riesiger Bedarf am Wiederaufbau der Medien

Viele Journalistinnen und Journalisten in Gaza haben Angehörige verloren und leben in großer persönlicher Not. Sie arbeiten in provisorischen Redaktionsräumen in Zelten, häufig in der Nähe von Krankenhäusern. Dort gibt es den vergleichsweise verlässlichsten Zugang zu Strom und Internet. Wenn das Waffenstillstandsabkommen zu einem dauerhaften Frieden führen soll, müssen erhebliche Mittel für den Wiederaufbau der Medien in Gaza bereitgestellt werden.

Dieser Wiederaufbau muss Hand in Hand mit einer umfassenden juristischen Aufarbeitung der an Journalistinnen und Journalisten begangenen Verbrechen erfolgen. Das ist eine der Kernforderungen von Reporter ohne Grenzen. Am 24. September 2024 hat die Organisation die bereits vierte Strafanzeige beim Internationalen Strafgerichtshof wegen Kriegsverbrechen seitens der israelischen Armee eingereicht. Die erste Strafanzeige hatte RSF am 1. November 2023 vorgelegt, in dieser ging es auch um Kriegsverbrechen der Hamas.

Verhaftungen im Westjordanland, Druck in Israel

Neben der israelischen Offensive in Gaza war das Westjordanland Ziel zahlreicher Übergriffe durch israelische Behörden und Siedlerinnen und Siedler. Bedroht wurden vor allem palästinensische Medienschaffende, aber auch internationale Reporterinnen und Reporter. Auf der Liste der Länder mit den meisten inhaftierten Medienschaffenden steht Israel auf dem dritten Platz. Das geht aus der RSF-Jahresbilanz 2024 hervor.

Die rechtsextreme israelische Regierung hat den Kriegszustand zudem genutzt, um ihren Einfluss auf die Medienlandschaft zu verstärken. RSF kritisiert die Einschüchterung regierungskritischer Medien und mehrere repressive Gesetzesentwürfe von Kommunikationsminister Shlomo Karhi – sie würden die Unabhängigkeit der Medien gefährden.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen stehen die Palästinensischen Gebiete auf Platz 157 von 180, Israel auf Rang 101.

16.01.2025 09:28
Journalist nach kritischen Recherchen ermordet

Reporter ohne Grenzen (RSF) ist schockiert über den Mord an dem indischen Journalisten Mukesh Chandrakar. Anfang Januar wurde in der ostindischen Stadt Bijapur die Leiche des Reporters gefunden. Sein Körper lag in einer Klärgrube und wies schwere Verletzungen auf. Der 32-Jährige hatte kurz davor kritisch über ein Bauprojekt eines Unternehmers berichtet. Dieser wurde als Hauptverdächtiger festgenommen.

„Der grausame Mord an Mukesh Chandrakar ist eine Vergeltungsmaßnahme für seine kritische Arbeit. Die indischen Behörden müssen die Verantwortlichen so schnell wie möglich vor Gericht stellen und Journalistinnen und Journalisten besser schützen“, sagte RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus.

Mukesh Chandrakar war am 1. Januar verschwunden. Nachdem seine Familie ihn als vermisst gemeldet hatte, ortete die Polizei sein Handy und fand seine Leiche in der Nähe des Hauses von Suresh Chandrakar, einem Bauunternehmer und Verwandten des Journalisten. Chandrakars Körper wies mehrere Schädelfrakturen, perforierte Organe und einen Genickbruch auf.

Eine Woche vor seinem Verschwinden hatte der Journalist mit seinem Kollegen Nilesh Tripathi für den Fernsehsender NDTV über den schlechten Zustand einer Straße berichtet, für deren Bau Suresh Chandrakar einen Auftrag im Wert von mehreren Millionen Euro erhalten haben soll. Einen Tag nach der Ausstrahlung leiteten die Behörden eine Untersuchung des Auftrags ein. Nach zwei Tagen auf der Flucht wurden Suresh Chandrakar sowie seine zwei Brüder Ritesh und Dinesh Chandrakar am 7. Januar festgenommen. Laut Angaben der Polizei in Bijapur sollen Mitarbeiter von Suresh und Ritesh Chandrakar den Journalisten mit Stahlstangen angegriffen und getötet haben.

Chandrakar arbeitete mehr als zehn Jahre als Journalist. Auf seinem eigenen Youtube-Kanal Bastar Junction mit mehr als 170.000 Followerinnen und Followern berichtete er über heikle Themen wie Korruption.

Bijapur liegt im Bundesstaat Chhattisgarh, einer gefährlichen Region für Journalistinnen und Journalisten. Im vergangenen Jahr wurden dort die Medienschaffenden Bappi Ray, Shivendu Trivedi, Dharmendra Singh und Manish Singh von der Polizei angegriffen und für einen Monat festgehalten. Sie hatten zur sogenannten Sandmafia recherchiert. Dahinter steckt ein Netzwerk organisierter Kriminalität, das illegal Sand abbaut – ein weltweit begehrter Rohstoff, auch für die boomende Bauindustrie in Indien.

Die Berichterstattung über die Sandmafia, illegalen Bergbau und Landnahmen sind lebensgefährlich: Mindestens 28 Journalistinnen und Journalisten wurden in den vergangenen zehn Jahren in Indien ermordet. Fast die Hälfte von ihnen hat über Umweltthemen berichtet.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Indien auf Platz 159 von 180 Staaten.

14.01.2025 10:30
Diese Empfehlungen schützen vor SLAPP-Klagen

Medienschaffende, Umweltaktivisten oder Menschenrechtsverteidigerinnen mundtot machen: das ist das Hauptziel von Einschüchterungsklagen, sogenannten SLAPPs („Strategic Lawsuits Against Public Participation”). Eine neue EU-Richtlinie soll künftig Journalistinnen und Journalisten vor solchen missbräuchlichen Klagen schützen. Reporter ohne Grenzen (RSF) hat im vergangenen Jahr zahlreiche juristische Einschüchterungsversuche gegen Medienschaffende beobachtet. Die EU-Anti-SLAPP-Richtlinie sollte daher schnell in nationales Recht umgesetzt werden. RSF empfiehlt eine Reihe von Maßnahmen, die bei der Umsetzung beachtet werden sollten. Nur dann können Justiz und Zivilgesellschaft Medienschaffende effektiv vor SLAPP-Klagen schützen. 

„Unabhängiger Journalismus, freie und kritische Berichterstattung sind unverzichtbar, weil sie Missstände aufdecken und uns mit Fakten und gut recherchierten Inhalten versorgen”, sagt RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus. „Medienschaffende müssen wirksam vor Rechtsmissbrauch geschützt werden, um ihre wichtige Arbeit ungestört machen zu können. Dafür brauchen wir klare rechtliche Rahmenbedingungen. Die EU-Gesetzgebung muss auch in Deutschland zügig umgesetzt werden.”

RSF empfiehlt unter anderem folgende Punkte (die gesamte Auflistung finden Sie in der Stellungnahme):

  • Was ein SLAPP ist, muss klar definiert sein. Gerichte müssen verpflichtet werden, ihre Fälle anhand einer solchen Definition zu überprüfen.
  • Die EU-Richtlinie gilt für Fälle mit grenzüberschreitendem Bezug. Ihre Umsetzung muss aber auch auf SLAPPs anwendbar sein, bei denen die Klagenden und Beklagten in Deutschland wohnen.
  • Rechtsmissbräuchliche SLAPP-Verfahren sollten frühzeitig abgewehrt werden können. 
  • Wer einen solchen Rechtsmissbrauch initiiert, muss auch finanziell zur Verantwortung gezogen werden. Betroffene sollten nicht nur ihre Kosten erstattet bekommen, sondern auch Anspruch auf Schadenersatz haben.
  • Durch gezielte Maßnahmen, wie eine Deckelung der Streitwerte, sollte das Risiko der finanziellen Belastung für Medienschaffende und Redaktionen gesenkt und der finanzielle Anreiz für SLAPP-Klagende vermindert werden. 
  • Wenn ein SLAPP festgestellt wurde, sollte die klagende Seite dazu verpflichtet werden, das gegen sie ergangene Urteil selbst zu veröffentlichen.

Die zivilgesellschaftliche No-SLAPP-Anlaufstelle, die im Mai ihre Arbeit aufgenommen hat und an der RSF als Kooperationspartner beteiligt ist, verzeichnet mittlerweile mehr als 20 Unterstützungsanfragen. Die Anlaufstelle hat zum Ziel, Betroffenen von juristischen Einschüchterungsversuchen beratend zur Seite zu stehen und über SLAPPs in Deutschland zu informieren. In vielen der an sie herangetragenen Fällen stellt die Anlaufstelle Anzeichen dafür fest, dass es sich nicht um legitime Rechtsdurchsetzung, sondern um juristische Einschüchterungsversuche handelt. 

Insbesondere kleine Medienhäuser oder freiberufliche Medienschaffende können sich eine teure rechtliche Beratung oft nicht leisten. Zusätzlich schränkt die Abwehr der zeitraubenden Verfahren ihre Arbeit stark ein. Wenn sie deswegen darauf verzichten, sich zu verteidigen und eine Recherche nicht zu veröffentlichen, hat ein SLAPP sein Ziel erreicht.

13.01.2025 12:29
Historische Chance für die Pressefreiheit

Das Jahr begann vielversprechend, nun müssen Taten folgen: Am 1. Januar 2025 kündigte der neue syrische Informationsminister Mohamed al-Omar an, sich für eine freie, objektive und professionelle Medienlandschaft einzusetzen. Reporter ohne Grenzen (RSF) begrüßt dieses Versprechen und erinnert die neuen Machthaber zugleich an ihre Verantwortung für diejenigen Medienschaffenden, die seit Beginn der Revolution im Jahr 2011 getötet, inhaftiert oder entführt wurden. Als erster Schritt müssen die 20 Medienschaffenden freigelassen werden, die derzeit noch von Rebellengruppen festgehalten werden, darunter auch von der regierenden Hajat Tahrir al-Scham (HTS).

„Die Stellungnahme des neuen Informationsministers zur Pressefreiheit ist ermutigend, noch sehen wir aber keine konkreten Schritte in Richtung dieser Ziele“, sagte RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus. „Der Sturz des Diktators Baschar al-Assad bietet eine historische Chance, die Freiheit und Sicherheit von Medienschaffenden sowie das Recht des syrischen Volkes auf verlässliche Informationen zu garantieren.“

Deshalb gibt RSF der neuen Übergangsregierung sieben konkrete Empfehlungen:

  1. Gerechtigkeit für die vom Assad-Regime schikanierten Medienschaffenden und Aufklärung über ihr Schicksal: Von 25 Journalistinnen und Journalisten, die vom Assad-Regime inhaftiert oder verschleppt wurden, fehlt derzeit noch jede Spur. Weitere 181 Medienschaffende wurden seit 2011 von Schergen des Regimes ermordet. Die Täter müssen nach internationalen Standards vor Gericht gestellt werden.
  2. Gerechtigkeit für Medienschaffende, die Opfer von Rebellengruppen wurden: 20 von ihnen sitzen noch immer in Haft, auch in Gefängnissen der nun regierenden HTS. Sie müssen freikommen. 19 weitere Journalistinnen und Journalisten wurden seit 2011 mutmaßlich von Rebellen getötet, sieben von ihnen mutmaßlich durch die HTS. Alle Parteien, die an diesen Verbrechen beteiligt waren, gehören vor Gericht.
  3. Gerechtigkeit für vermisste Medienschaffende: Das Schicksal der 2013 vom sogenannten Islamischen Staat (IS) entführten 20 Medienschaffenden muss aufgeklärt werden. Der IS ist zudem für die Morde an 22 Medienschaffenden verantwortlich. 53 weitere Mordfälle sind derzeit ungeklärt. Sechs Medienschaffende wurden mutmaßlich von der türkischen Armee getötet, einer von den kurdisch geführten Syrian Democratic Forces (DSF). Von einem weiteren Reporter fehlt jede Spur, seit er im Jahr 2014 in Rojava, der autonomen kurdischen Zone im Nordosten Syriens, entführt wurde. In all diesen Fällen muss die Übergangsregierung zu einer Aufklärung beitragen und mit den entsprechenden Stellen zusammenarbeiten. Die Täter gehören vor ein Gericht mit rechtsstaatlichen Standards.
  4. Schutz und Unterstützung für Medienschaffende: Einheimische wie internationale Journalistinnen und Journalisten müssen ihre Arbeit sicher und geschützt ausüben können.
  5. Beseitigung aller Hindernisse für den Journalismus: Alle Maßnahmen und Praktiken staatlicher und nichtstaatlicher Gruppen, die die Arbeit von Medienschaffenden und Redaktionen behindern, müssen abgeschafft werden. Das betrifft insbesondere Zensur und Überwachung von Medienschaffenden und ihren Quellen.
  6. Gewährleistung einer freien, vielfältigen Medienlandschaft: Medienschaffende und Redaktionen müssen gemäß internationalen Standards und Branchennormen vor Einschüchterung, Diskriminierung und jeglicher Form von Druck geschützt werden, unabhängig von ihrer redaktionellen Haltung, Meinung, ethnischen Zugehörigkeit, Nationalität, Religion, Geschlecht oder Sexualität.
  7. Gesetzliche Garantien für Pressefreiheit und das Recht auf Information: Die Pressefreiheit und das Recht auf Information müssen in der Verfassung verankert werden, in Übereinstimmung mit internationalen Standards und den Empfehlungen und Forderungen lokaler Medien- und Pressefreiheitsgruppen wie dem Syrian Center for Media and Freedom of Expression (SCM) – dem Partner von Reporter ohne Grenzen in Syrien.

Seit der Revolution im Jahr 2011 wurden mindestens 283 Journalistinnen und Reporter im Zusammenhang mit ihrer Arbeit getötet, 181 davon nach RSF-Informationen durch das Regime von Baschar al-Assad und seine Verbündeten. Der abgesetzte Präsident und jede andere Person, die für diese Verbrechen verantwortlich ist, muss zur Rechenschaft gezogen werden.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen steht Syrien auf Rang 179, dem vorletzten Platz.

09.01.2025 15:50
Wie Mark Zuckerberg dem Journalismus schadet

Mark Zuckerberg, Chef des Internetkonzerns Meta, kündigte in einem am 7. Januar 2025 auf Facebook veröffentlichten Video den neuen Umgang seines Unternehmens in Bezug auf Informationen und politische Debatten an. Der Milliardär beendet die Zusammenarbeit mit Faktencheckern auf den Plattformen Facebook und Instagram  – sie würden das Vertrauen der Nutzerinnen und Nutzer untergraben. Zuckerbergs neue Firmenpolitik soll zunächst zwar nur in den USA gelten – Reporter ohne Grenzen (RSF) bewertet sie jedoch als Teil einer globalen Strategie: Unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit wird der Zugang zu verlässlichen Informationen und unabhängigem Journalismus erschwert. Ungeprüfte, potentiell falsche Inhalte bleiben stehen.

„Der Richtungswechsel von Mark Zuckerberg ist eine Entscheidung gegen professionell recherchierte journalistische Informationen und für mehr Desinformation und Propaganda”, sagt RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus. „Die Förderung von zuverlässigen Informationen ist keine Zensur, wie von Zuckerberg dargestellt, im Gegenteil: Das Liefern von Fakten und Kontext hilft den Menschen, die richtigen Entscheidungen zu treffen und stärkt die Demokratie. Mit dem Ende der Faktenchecks stärkt Meta sein auf Viralität basierendes Modell, bei dem es nur noch um die Maximierung von Schnelligkeit und Reichweite geht, auf Kosten von Qualität und Faktentreue. Hassrede, Manipulation und Falschinformationen werden dadurch noch weniger Grenzen gesetzt.” 

Mark Zuckerberg bekennt sich mit seiner neuen Firmenpolitik zu einer von Donald Trump propagierten Ideologie, indem er unabhängigen Journalismus zugunsten einer absolutistischen Vision von Meinungsfreiheit aufgibt. Populistische Stimmen postulieren immer wieder, dass es eine Einschränkung der Meinungsfreiheit oder gar Zensur gäbe. Damit soll letztendlich die Demokratie destabilisiert werden. In seinem Video spricht Zuckerberg davon, dass er die Faktenchecks durch ein System ersetzen wolle, das von den „Community Notes“ („Gemeinschaftsbewertungen“) der Plattform X inspiriert sei, die Trump-Supporter Elon Musk gehört. Damit überlässt er es den Nutzenden, die Zuverlässigkeit von Informationen selbst zu überprüfen. Beleidigende und gewalttätige Inhalte sowie ungeprüfte Informationen könnten so unmoderiert stehen bleiben. Zuckerbergs Ankündigung ist insofern erstaunlich, als Meta das Faktenchecken zur Bekämpfung von Desinformation auf seinen Plattformen in der Vergangenheit stark verteidigt hat. 

Das Ziel dieser neuen Politik ist offensichtlich: Donald Trump Loyalität zu signalisieren, indem die Meta-Plattformen, die laut eigenen Angaben täglich von mehr als drei Milliarden Menschen genutzt werden, im Eiltempo „muskifiziert“ werden. Dahinter stecken die kommerziellen Interessen privater Akteurinnen und Akteure. Die Notwendigkeit von faktenbasierten Informationen zur öffentlichen Meinungsbildung und Stärkung der Demokratie wird hinten angestellt.

Vergangene Entscheidungen von Zuckerberg zeugten bereits von einem Richtungswechsel, der anti-journalistische Tendenzen aufwies: Unter anderem entfernte die Meta-Gruppe im Jahr 2023 den News-Bereich auf Facebook in mehreren Ländern, auch in Deutschland. Änderungen am Algorithmus hatten überdies die Zugriffe auf Medienseiten eingeschränkt.

09.01.2025 10:00
Diese 10 Medienschaffenden kamen 2024 frei

Im Jahr 2024 saßen 550 Medienschaffende weltweit aufgrund ihrer Arbeit im Gefängnis – sieben Prozent mehr als im Vorjahr. Trotz dieses Anstiegs gibt es Grund zur Hoffnung: Viele Journalistinnen und Journalisten, die Missstände aufdeckten und dafür hinter Gitter gesperrt wurden, konnten die Gefängniszellen wieder verlassen. Auch Reporter ohne Grenzen (RSF) hat sich für ihre Freilassungen eingesetzt.

Um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen, lassen viele Regime Journalistinnen und Journalisten inhaftieren – häufig unter fadenscheinigen Begründungen. Die Herausforderungen für 2025 sind immens. Aber die Medienschaffenden, die im vergangenen Jahr freigekommen sind, senden auch ein positives Zeichen. Dass sie nun wieder in Freiheit sind, zeigt: Der Kampf für die Pressefreiheit lohnt sich.

Wir blicken auf 10 prominente Journalistinnen und Journalisten, die 2024 freikamen:

Ein Portraitfoto von Nilufar Hamedi und Elahe Mohammadi

Nilufar Hamedi und Elahe Mohammadi

Iran - 14. Januar
Die beiden iranischen Journalistinnen wurden nach 15 Monaten Haft gegen Kaution vorübergehend freigelassen. Nilufar Hamedi und Elahe Mohammadi hatten im September 2022 als erste über den Tod der kurdischen Studentin Jina Mahsa Amini in Polizeigewahrsam berichtet. Dafür wurden sie wegen „Zusammenarbeit mit dem feindlichen Staat USA“, „Verschwörung gegen die nationale Sicherheit“ und „staatsfeindlicher Propaganda“ angeklagt und zu vielen Jahren Haft im berüchtigten Evin-Gefängnis verurteilt. Seit Beginn der „Frau, Leben, Freiheit“-Bewegung wurden mehr als 100 Journalistinnen und Journalisten festgenommen; 17 von ihnen sitzen bis heute hinter Gittern.

Profilfoto von Stanis Bujakera Tshiamala

Stanis Bujakera Tshiamala

Demokratische Republik Kongo - 19. März
Ich bin frei – dank Ihrer Bemühungen“, sagte der kongolesische Journalist Stanis Bujakera Tshiamala nach seiner Freilassung und dankte RSF und seinen Unterstützerinnen und Unterstützern. Nach sechs Monaten Haft, sieben abgelehnten Anträgen auf Haftentlassung und einer Verurteilung, mit der Tshiamala zur Preisgabe seiner Quelle gezwungen werden sollte, wurde er am 19. März 2024 freigelassen. Dem Korrespondenten von Jeune Afrique war vorgeworfen worden, ein gefälschtes Dokument des Geheimdienstes erstellt und verbreitet zu haben.

Aasif Sultan steht in Handschellen gefesselt an einer Kette auf einer Straße.

Aasif Sultan

Indien - 10. Mai
Der Journalist der monatlich erscheinenden Zeitung Kashmir Narrator saß fast sechs Jahre im Gefängnis. Sein Fall zeigt, wie die indischen Behörden mit Antiterrorgesetzen systematisch gegen unabhängigen Journalismus in Kaschmir vorgehen. Aasif Sultan war nach dem Antiterrorgesetz UAPA und dem Gesetz für öffentliche Ordnung verurteilt worden. Am 28. Februar kam er für zunächst einen Tag frei. Im Mai bestätigte ein Gericht seine Freilassung gegen Kaution.

Julian Assange läuft entlang einer leeren Stuhlreihe mit erhobener Faust

Julian Assange

Vereinigtes Königreich - 24. Juni
Der WikiLeaks-Gründer wurde im Juni aus dem Belmarsh-Gefängnis entlassen. Damit endet ein 14 Jahre andauerndes juristisches Tauziehen. Bei einer Verurteilung hätten Julian Assange in den USA bis zu 175 Jahre Haft gedroht. Ihm war vorgeworfen worden, mit der Veröffentlichung von mehr als 250.000 geheimen Dokumenten im Jahr 2010 die nationale Sicherheit gefährdet zu haben. Im Gegenzug für seine Freiheit musste sich Assange der Verschwörung zur unrechtmäßigen Beschaffung und Verbreitung von geheimen Unterlagen für schuldig erklären. „Ich bin nicht frei, weil das System funktioniert hat, sondern weil ich mich des Journalismus schuldig bekannt habe”, sagte er nach seiner Freilassung am 1. Oktober.

Ein Portraitfoto des lächelnden Evan Gershkovich und der ebenfalls lachenden Alsu Kurmasheva

Alsu Kurmasheva und Evan Gershkovich

Russland - 1. August
Im Rahmen eines groß angelegten Gefangenenaustauschs wurden der amerikanische Journalist Evan Gershkovich und die amerikanisch-russische Journalistin Alsu Kurmasheva aus russischer Haft entlassen. Nur kurz zuvor hatten Gerichte den Russland-Korrespondenten des Wall Street Journal zu 16 Jahren Haft verurteilt. Die Reporterin des baschkirischen Dienstes von Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL) erhielt sechseinhalb Jahre Haft. Zuvor saß Gershkovich mehr als ein Jahr in Untersuchungshaft. Kurmasheva verbrachte neun Monate in Untersuchungshaft.

Ein Sharepic mit Floriane Irangabiy und dem RSF Press Freedom Award 2024 Logo darauf

Floriane Irangabiye

Burundi - 14. August
Unsere Freude ist unermesslich“, sagte die Schwester der inhaftierten Radiomoderatorin Floriane Irangabiye nach deren Freilassung. Zwei Jahre zuvor war die Journalistin vom burundischen Geheimdienst SNR verhaftet worden. Im Januar 2023 wurde sie wegen „Gefährdung der inneren Sicherheit des Landes“ zu zehn Jahren Haft verurteilt. Grundlage waren unklare Vorwürfe zu ihren von Ruanda aus gesendeten Radiobeiträgen, in denen sie kritisch über die burundischen Behörden berichtet hatte. Am 14. August 2024 wurde Floriane Irangabiye vom burundischen Präsidenten begnadigt.

Portraitfoto des lachenden José Rubén Zamora

José Rubén Zamora

Guatemala - 18. Oktober
Der Gründer und Direktor der Zeitung elPeriódico, José Rubén Zamora, wurde im Oktober vorläufig in den Hausarrest entlassen. Eine Entscheidung, die knapp einen Monat später gegen den Willen des Präsidenten der Republik widerrufen wurde. Der Antrag von José Rubén Zamora, gegen diese Entscheidung Berufung einzulegen, wird derzeit vom Obersten Gerichtshof Guatemalas geprüft. Der 68-jährige Journalist, der 2023 mit dem RSF-Preis für Unabhängigkeit geehrt wurde, hat bereits mehr als 800 Tage hinter Gittern verbracht. „Ich habe in zwei Jahren Gefängnis mehr bewirkt als in 30 Jahren Journalismus, weil wir die Demokratie demaskiert haben“, sagte er im November.

Portraitfoto von Ihsane el-Kadi

Ihsane el-Kadi

Algerien - 30. Oktober
Nach 22 Monaten Haft kam der Leiter von Radio M und der Nachrichtenseite Maghreb Émergent durch einen Erlass des Präsidenten frei. Dem Journalisten war vorgeworfen worden, Organisationen zu unterstützen, die den Staat und die Sicherheit Algeriens bedrohen. Die Freilassung hat einen bitteren Beigeschmack: Ihsane el-Kadi wurde zu einer hohen Geldstrafe verurteilt, sein Vermögen wurde konfisziert. Der Sender Radio M musste im Juni 2024 den Betrieb einstellen.

03.01.2025 12:00
Neue Verhaftungswelle in Aserbaidschan

Er war gerade von einer Reportage über die proeuropäischen Proteste im benachbarten Georgien zurückgekehrt: Am 6. Dezember wurde der aserbaidschanische Journalist Ramin Jabrayilzade (auch bekannt als Ramin Deko) am Flugplatz in Baku festgenommen. Am selben Tag nahm die Polizei in der aserbaidschanischen Hauptstadt die Medienschaffenden Natig Javadli, Khayala Aghayeva, Aytaj Tapdig, Aynur Elgunesh und Aysel Umudova fest. Sämtliche Festgenommenen arbeiten für das unabhängige Medienunternehmen Meydan TV.

„Nur kurz nach dem Ende der Weltklimakonferenz schlägt das aserbaidschanische Regime erneut gegen ein unabhängiges Medium zu“, sagt Anja Osterhaus, RSF-Geschäftsführerin. „Die Festnahmen sind Teil einer Strategie, die jegliche Kritik am Regime ersticken soll. Die Medienschaffenden müssen sofort freigelassen werden!“

Schlag gegen einflussreiches Medium

Meydan TV ist seit seiner Gründung im Jahr 2013 in Berlin ansässig und zählt zu den reichweitenstärksten Onlinemedien Aserbaidschans. In investigativen Recherchen thematisiert es unter anderem die verbreitete Korruption, lässt Oppositionspolitiker zu Wort kommen und greift brisante Themen auf, die in Aserbaidschan tabu sind. Die Inhalte erscheinen teilweise auch auf Russisch und Englisch. Allein auf Instagram folgen Meydan TV fast eine Million Menschen.

Den festgenommenen Journalistinnen und Journalisten wird Devisenschmuggel vorgeworfen – eine häufige Anschuldigung gegen unabhängige Medienschaffende. Im Falle einer Verurteilung drohen ihnen bis zu acht Jahre Haft. Meydan TV wies die Anschuldigungen in einer Erklärung zurück und bezeichnete die Festnahmen als illegal. Am 8. Dezember ordnete ein Gericht vier Monate Untersuchungshaft für die sechs Medienschaffenden an. Die Redakteurin Aysel Umudova soll in Haft unter Panikattacken leiden.

Die Serie von Festnahmen reißt nicht ab

Der Schlag gegen Meydan TV ist Teil einer Serie von Festnahmen, mit der Präsident Ilham Alijew die verbleibenden unabhängigen Medien des Landes seit November 2023 überzieht. Festgenommen wurden bisher unter anderem Mitarbeitende der Medien Toplum TV, Abzas Media, Kanal 11 und Kanal 13. Den meisten wird Devisenschmuggel wegen angeblicher Annahme westlicher Gelder zur Last gelegt. Insgesamt sitzen derzeit 19 Medienschaffende in Haft.

Aserbaidschan rangiert in der Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 164 von 180 Ländern.

Impressum: Bernard Henter, Am Flugfeld 33, 40489 Düsseldorf, Tel. +49-211-404113     Kontaktformular   2025-02-13 14:16